Das nun im Print erschienene Fachbuch „Tourismusregion Neusiedler See“ ist als erweiterte Ausgabe erschienen und ab sofort im Buchhandel und als Ebook erhältlich. Neue Beiträge widmen sich u. a. dem Erholungswert des Waldes, der Zertifizierung der Region auf Nachhaltigkeit und noch zu lösenden Fragen der Mobilität wie etwa der „Last Mile. Im Buch loten rund 45 Autorinnen und Autoren in einer beeindruckenden Bandbreite den Handlungsbedarf für eine touristische Weiterentwicklung der Region aus.
Tourismusentwickler und Moderator Alois Lang wies zu Beginn auf die bereits seit den 1980er-Jahren voranschreitende Diversifizierung des Tourismusangebots in Richtung Natur-, Rad-, Wein- und Kulturerlebnis. Diese Palette biete viele Chancen, die auch wahrgenommen wurden, aber auch viele weitere Möglichkeiten, die in der grenzüberschreitenden Region noch ungenützt sind. „Es ist ein Anliegen des Buches, diese Potenziale aufzuzeigen“, so Lang.
Qualitativ hochwertige Entwicklung entscheidend
Stefan Ottrubay, Vorstandsvorsitzender der Esterhazy Privatstiftung und Vorstandsmitglied des Vereins Zukunft Region Neusiedler See, skizzierte in einleitenden Worten die Motivation zu diesem Weißbuch: „Wir wurden von Stakeholdern im Tourismus gedrängt, nach dem Weißbuch ‚Das Ende des Neusiedler Sees?‘ nun auch Fragen zum touristischen Aufkommen zu bearbeiten.“ Ziel war es, Themen auszuloten und – vielleicht schon in Schubladen vorhandene – Lösungen in die Diskussion einzubringen. Dabei sei es ganz entscheidend, eine qualitativ hochwertige Entwicklung als Schlüssel für jede Form der touristischen Weiterentwicklung zu verstehen. Ottrubay abschließend über das Buch: „Die Erkenntnisse, die das Autorenteam herausgeschält hat, sind beachtlich.“
Landtourismus hat große Potenziale
Mario Baier, MB-Tourism Consulting, ortete den pannonischen Lifestyle als ganz wesentlich für die Stärkung touristischer Angebote. Er bezeichnete die Region Neusiedler See als „prädestiniert“ für das das Thema Landtourismus, für den es „große Entwicklungspotenziale“ gäbe. Deshalb müsse in der Region stärker mit Themen wie Entschleunigung, Kultur und Kulinarik gearbeitet werden. Baier: „Wer sucht diese Art von Tourismus? Menschen, die sich abseits des Mainstreams bewegen. Da trifft genau auf das Burgenland zu.“ Dabei spiele die pannonische Kultur eine tragende Rolle. Streckhöfe könnten – analog zu typisch alpinen Architekturen – durch innovative Nutzungsideen in Wert gesetzt werden. Ein wichtiges Segment sieht Baier zudem in der Entwicklung von Coworking und Remote work. Jungen Menschen könne in der Region ein Arbeitsumfeld geboten werden, um kreativ zu sein.
> zum Impulsbeitrag über Landtourismus von Mario Baier
Mobilität: Vision für Eisenstadt
Der Verkehrsplaner Christian Grubits, PanMobile, stellte seine Vision für Eisenstadt für eine verkehrsberuhigte Landeshauptstadt vor. Touristen würden autofrei anreisen, der Bahnhof in Eisenstadt wäre multifunktional – mit Angeboten auch für Einwohner – umgebaut. Die Straße ins Zentrum sei fußgängerfreundlich umgestaltet, Grün- und Erholungsräume prägen die Stadt. Grubits plädierte weiters dafür, Konzepte für die Region zu entwickeln, um den Durchzugsverkehr in den Ortskernen zu entschärfen. Das brächte nicht nur mehr Lebensqualität für die Bewohner, sondern auch einen entscheidenden Mehrwert für die Touristen, die gerade auch wegen Entschleunigung und Natur in die Region kommen würden.
Fokus auf Welterberegion legen
„Ein ganzer Apfel ist schöner als zwei Hälften“ – so brachte István Gergely, Vizebürgermeister Hegykő, die Perspektive des ungarischen Teils der Region ein. Gergely skizzierte den Weg seiner Gemeinde mit über 120.000 Nächtigungen in Richtung eines qualitativen touristischen Angebots. Er hob die Bedeutung der Region als Weltkulturerbe hervor und die damit verbundene Bedeutung traditionelle Bausubstanz. Streckhöfe stünden rechtlich unter Schutz, neue Gebäude würden hinsichtlich der Wahrung des Ortsbildes geprüft. Gergely wies auf fehlende gemeinsame touristische Strukturen hin und zeigte sich überzeugt, dass die Region auf beiden Seiten voneinander profitieren könne.
Zertifizierung für Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Patrik Hierner, Geschäftsführer des Tourismusverbands Nordburgenland, skizzierte aktuelle Projekte für eine nachhaltige touristische Entwicklung. Er betonte, dass die Region nicht auf den Massentourismus ausgerichtet ist, sondern eine qualitative Entwicklung verfolgt, für die es beste Voraussetzung gebe. Hierner: „Der Tourismus in der Region lebt stark von der Natur. Die Entwicklung kann deshalb nur mit der Natur funktionieren.“ Deshalb habe man auch einen Zertifizierungsprozess für Nachhaltigkeit gestartet, um wichtige Impulse auch für Betriebe zu bieten. Hierner zeigte sich überzeugt, dass sich Qualität durchsetze. „Dafür brauchen wir ein nachhaltiges Angebot, denn dieses wird von Gästen immer stärker nachgefragt.“
Erholungswert des Waldes herausarbeiten
Marianne Schreck, Bundesforschungszentrum Wald, widmete sich dem Erholungswert des Waldes, der unter Begriffen wie „Waldbaden“ seit etwa zehn Jahren wieder stärker ins Bewusstsein gerät. „Was Klosterurlaube und Yoga-Retreats anbieten, stellen Wälder kostenlos zur Verfügung.“ Deshalb ginge es darum, den Wald für Aufenthalte wieder attraktiv zu machen. Das gelte insbesondere auch für eine touristische Nutzungen. Sie verwies auf bestehende Projekte des BFW wie REFOMO, das u.a. die Erholungswirkung verschiedener Waldtypen erforscht. Für die Region Neusiedler See stellt der Wald eine interessante Angebotserweiterung für den Tourismus dar.
Über das Weißbuch:
„Tourismusregion Neusiedler See. Risiken und Chancen einer europäischen Destination“. Erweiterte Ausgabe. Herausgeber: Christian Janisch, Alois Lang, Bibi Watzek. 166 Seiten, Residenz Verlag November 2024.