Seit Oktober finden am Neusiedler See an neuralgischen Punkten wieder Entschlammungsarbeiten statt. Die Seemanagement Burgenland befreit bis April Schifffahrtswege, Marinas und Kanäle von Sedimenten, um die Befahrbarkeit dieser Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Südlich von Mörbisch werden die Ein- und Ausfahrtsbereiche im Bereich der Schilfinseln von Sedimenten befreit. Ebenso in Rust, wo der Schifffahrt wieder eine problemlose Durchfahrt ermöglicht wird. Auch die Strand- und Schwimmbereiche sollen, wie GF Erich Gebhardt berichtet, durch die Eingriffe wieder an Wassertiefe gewinnen. In der nunmehr zweiten Saison werden diese Maßnahmen in praktisch allen Seegemeinden gesetzt.

Landesrat Heinrich Dorner hat als zuständiges Regierungsmitglied zudem eine neue Phase angekündigt, in der man sich über das Schlammmanagement hinaus auch „intensiv“ mit dem Schilf beschäftigen werde.
Es wird sehr fokussiert auf das Thema Schilfmanagement eingegangen. In dieser Saison wird es nicht nur zur Ertüchtigung von Kanälen kommen, sondern es wird auch großflächig Schilfmanagement betrieben, insbesondere im Altschilfbereich.
Landesrat Heinrich Dorner
Dafür wurden neue Schilferntemaschinen angeschafft, um flächig Altschilfbereiche zu schneiden. Wie ist nun der weitere Zeitplan, und wie soll dieses Vorhaben umgesetzt werden?
Management degradierter Schilfbestände
Für den Schilfschnitt wurden im Rahmen eines LEADER-Projekts zwei Geräte von Kässbohrer angekauft, wie Gebhardt erzählt. Rund 70 Prozent der beiden Maschinen können über die EU-Förderung gegenfinanziert werden.
Geliefert werden die Schilfschneidegeräte im Frühling. Danach ist eine Testphase vor Ort geplant, im Herbst 2025 beginnt der reguläre Einsatz. Markus Brunner, GF von reedmaX, einer der wenigen Schilfschneider, die es am See noch gibt, berät die Seemanagement GmbH in diesem Prozess.
Tests gab es bereits vergangenes Jahr im Schilfgürtel von Rust mit vergleichbaren Geräten. Einen ersten Probeeinsatz über sechs Wochen hatte es zudem im vergangenen Jahr in einem Niedermoor nahe Hamburg gegeben. Allerdings ist ein Moor nur bedingt vergleichbar mit dem Neusiedler See-Gebiet. Deshalb sollen die Geräte bis Mitte März auf Schilfflächen in Rust und Neusiedl getestet werden. Erste Anpassungen wie eine Wattiefe bis 1,65 Meter sowie breitere Kettenlaufwerke wurden bereits umgesetzt.
„Nach den Tests am Neusiedler See wird es über den Sommer weitere Adaptionen geben. Ab 15. September kommen die Geräte regulär zum Einsatz. Es geht uns um degradierte Schilfbestände, den Schilfschneidern werden wir jedenfalls keine Flächen wegnehmen.“
Erich Gebhardt, GF Seemanagement GmbH
Mit einer Fläche von rund 180 Quadratkilometern umfasst der Schilfgürtel des Neusiedler Sees eine beeindruckende Größe. Seit Jahren weiß man durch wissenschaftliches Monitoring, dass die Vitalität dieses Ökosystems massiv eingebrochen ist. Rund die Hälfte des Schilfbestandes ist degradiert und besteht aus Alt- oder Knickschilf. Diese Bereiche sind etwa auch für „Schilfspezialisten“ unter den Vögeln nicht mehr attraktiv. Teils deutliche Rückgänge bei den Bestandspopulationen sind die Folge.
Wie konnte es zur Degradation des Schilfgürtels kommen? Die Klimaerwärmung und damit verbundene fehlende Eisdecken gestalten die Bewirtschaftung durch Schilfschneider schwierig. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Betriebe, die hier aktiv sind – auch das hat zum Einbruch der Schilfbestände beigetragen. Aber auch die frühere Praxis, Schilfflächen abzubrennen, hatte zu einer raschen Verjüngung der Bestände beigetragen. Der Einsatz kontrollierter Feuer ist allerdings aufgrund des strengen Luftreinhaltegesetzes nicht möglich. Eine Entscheidung des Klimaministeriums über eine Ausnahmeregelung wird für die nächsten Wochen erwartet. Wir haben berichtet.
Als Feuchtgebiet nach der Ramsar-Konvention und Naturraum von hohem öffentlichen Interesse besteht also Handlungsbedarf, um eine Bestandsverbesserung zu erreichen.
Welche Schilfflächen werden geschnitten?
In welchen Bereichen des Schilfgürtels die zwei Kässbohrer-Geräte zum Einsatz kommen, ist bislang nicht bekannt. Auch auf die Größe der Flächen will man sich noch nicht festlegen. Man wolle abwarten, was die Praxistests ergeben. „Es ist uns wichtig, die Böden möglichst schonend zu befahren, um keine dauerhaften Schäden zu verursachen“, so Gebhardt. Geplant sei, dass in einem weiteren Schritt in Zukunft auch die Schilfrandkante bearbeitet wird. Seeseitig müsse eine Linie definiert werden, um das Schilfwachstum in bestimmten Bereichen zu managen.
Zu den wenigen noch aktiven Schilfschneidern gehören Jacobus van Hoorne in Weiden und Erwin Sumalowitsch in Podersdorf am See. Beide sind sich einig, dass aufgrund mittlerweile fehlender Konkurrenz genügend Flächen vorhanden seien, die bewirtschaftet werden können. Auch wenn ein Teil als Alt- oder Bruchschilf wirtschaftlich nicht mehr verwertbar sei. Im Gespräch erzählt Van Hoorne, dass es an sich kein Problem wäre, das Schilf auch tiefer, Richtung See, zu beernten. Allerdings mache es wirtschaftlich wenig Sinn, längere Wege zurückzulegen, nachdem genügend Flächen in Ufernähe vorhanden seien. Aus seiner Sicht wäre es aber überlegenswert, ein System an Kanälen anzulegen, um den Schilfgürtel besser managen zu können.
Raster an Kanälen würde breite Bewirtschaftung ermöglichen
Jacobus van Hoorne schlägt vor, in bestimmten Bereichen des Schilfgürtels ein Raster an Kanälen anzulegen, um damit auch seeseitige Flächen besser zu erreichen. Damit könnte man zwei limitierende Faktoren aushebeln: Einerseits sollte geschnittenes Schilf aus dem Schilfgürtel entfernt werden. Andererseits würden bei zu vielen Fahrten mit den schweren Pistengeräten die Böden so geschädigt, dass sie sich erst nach Jahren wieder erholen.
Über die angelegten Kanäle könnten sowohl die Geräte in den Schilfgürtel transportiert, wie auch das geschnittene Schilf abtransportiert werden. Van Hoorne schlägt vor, in bestimmten Bereichen des Schilfgürtels Kanäle in einem Abstand von etwa einem Kilometer anzulegen. Damit wäre es möglich, mit den Maschinen 500 Meter von der jeweiligen Seite in die Fläche zu fahren, um auf diese Weise die Böden möglichst zu schonen. Auf diese Weise lasse sich eine Bewirtschaftung bzw. ein Management der Flächen bewerkstelligen, ohne den Naturraum zu sehr zu beeinträchtigen.
Dass das eine sinnvolle Maßnahme wäre, bestätigen auch Ökologen. Zusätzlicher Effekt wäre eine Durchlüftung des Schilfgürtels durch einen besseren Wasseraustausch. In Verbindung mit einem Brandmanagement könnte man bei der Vitalisierung des Schilfgürtels einen Schritt weiterkommen, so die Einschätzung von Experten.
Über die Herausforderungen des Klimawandels in der Region Neusiedlersee
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