Eisberge am Neusiedler See

Seit 1965 hat die Anzahl der Eistage, an denen der Neusiedler See also zugefroren war, um 40 Tage abgenommen. Das hat auch Auswirkungen auf den Schilfgürtel.

Immer weniger Eistage

Der hydrographischen Dienst des Landes Burgenland belegt es: Seit 1965 sind die Tage, an denen der See zugefroren war, im Schnitt um 0,7 Tage pro Jahr zurückgegangen. Ergibt ein Minus von 40 Tagen. Die Jahre, in denen der See seither über 100 Tage gefroren war, lassen sich an einer Hand abzählen: 1968, 1969, 1986, 1995 und 2005. Im Winter 2021/22 gab es keinen einzigen Eistag.

Wie sich das Eis und noch mehr der Eisstoß auf den Schilfgürtel ausgewirkt hatte, lässt sich in einer interessanten Studie von 1970 nachlesen: Der Ökologe Pablo Weisser beschrieb in „Die Vegetationsverhältnisse des Neusiedlersees“ Szenarien, die man heute nicht mehr kennt. Erschienen ist der Beitrag in der Reihe „Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland“.

Pablo Weisser versucht in seinem Beitrag der Frage nachzugehen, warum am Westufer und im Süden der Schilfgürtel viel größere ist als am Ostufer. Hat es mit den Wind- und Strömungsverhältnissen zu tun, mit anthropogenen Einflüssen von Siedlungen? Oder mit anderen Dingen? So geht er auch der Frage nach der Rolle der Eisschollen nach:

Im März 1970 hatte ich Gelegenheit, die Eisschiebung beobachten zu können. Der starke Nordweststurm hatte die brüchig gewordene Eisdecke zu Eisschollen zusammengedrückt, die plankenförmigen Eisschollen zu meterhohen „Eisbergen“ an der Ostfront südlich von Podersdorf bis südlich der Hölle aufgetürmt. Wie ein weißes Band erhoben sich hinter der Schilffront die Eismassen. Nach ei­nem beschwerlichen Marsch durch den z. T. noch vereisten Schilfgürtel konnte die Eisbergfront besichtigt werden. Der höchste „Eisberg“ hatte eine Höhe von 3,5-4 Meter.

Unter dem Wind- und Wellendruck ächzten die Eisplanken. Von der ganzen Seefläche hatte der Wind hier das Eis zusammengeschoben; nach Westen war der See offen. Die Eisberge hatten sich direkt am Schilfgürtel oder in einiger Entfernung davon gebildet. Einige noch feste Eisplanken hatten stellenweise Widerstand geboten, doch durch die Sonneneinwirkung und weitere Stürme wird auch dieser Widerstand gebrochen, und es kommt auch an diesen Stellen zu ei­ner direkten Eiswirkung auf die Schilffront.

Wie wirken sich die Eismassen auf die Schilffront aus?


Wie wirken sich diese Eismassen auf die Schilffront aus? Zur Zeit der Eis­ schiebung (meist im März) hat das im Wasser wachsende Schilf zahlreiche Sprosse ausgebildet, die z. T. schon im Herbst angelegt werden. Diese werden durch die Eislast und das Schürfen des Eises zerstört oder beschädigt, da die Eisberge auf dem Grund aufsitzen. Diese Schädigung kann graduell und sehr unterschiedlich sein. Von Fischern wurde mir berichtet, daß es Stellen gäbe, die nach der Eisschiebung gänzlich schilffrei werden und erst im Laufe der Jahre sekundär besiedelt werden. Ist die Schädigung geringer, so kommt es nach Zer­störung der Jungtriebe zu einem Wiederausschlag der Wurzelstöcke, und es bilden sich dann lockere Schilfbestände, wie man sie häufig an den Westseiten der exponierten Inseln und am Ostufer des Sees zu finden pflegt.

So wäre es möglich, folgende Phänomene zu erklären:

1)  die geringere Ausbildung des Schilfgürtels an der Ostseite, 

2)  das Stagnieren der Schilffront trotz relativ geringerer Wassertiefe, 

3)  das von RIEDMÜLLER (1965) an der Ostseite festgestellte Zurückweichen des
Schilfgürtels, wobei hiermit nicht auch ein Einfluß des Substrates und der Turbulenz abgestritten werden soll.

Zu den Eisschiebungen am Neusiedlersee muß bemerkt werden, daß sie von Jahr zu Jahr, je nach Vereisungszustand, Winddrift und Witterungsverhältnissen sehr verschieden sein können. Sie treffen nicht unbedingt denselben Frontab­schnitt in jedem Jahr. Es gibt Jahre, und zwar, wenn es zur Zeit der Auflösung der Eisdecke keine starken Winde gibt, wo die Eisschiebung ausbleibt. Es ist also ein unstetes und sich nur lokal auswirkendes Phänomen.

SUKOPP (1968) stellte im Tegeler See (Berlin) Schäden durch den Eisgang im Winter 1963— 1964 fest. Es konnte beobachtet werden, wie auf der Insel Schafenberg das Schilf mitsamt den unterirdischen Teilen vom Eis heraus­ gerissen wurde. Weiterhin hat BARTHELMES (1959 in SUKOPP 1968) auf den starken Eisgang als Ursache für einen nicht vom Menschen bedingten Rückgang des Röhrichts am Mügelsee hingewiesen. Beim Eisaufgang im Frühjahr (Mitte März) sind dort vermutlich schon die zu dieser Zeit großen diesjährigen Triebe beschädigt worden. Auch MOTSCHKA (1970, mündl.) ist der Meinung, daß das ungleiche Wachstum des Schilfes auch am Neusiedlersee vornehmlich auf den Eisgang zurückzuführen ist.

Bemerkenswert ist die von einigen Autoren erwähnte Tatsache, daß das Ostufer der meisten Lachen im Seewinkel schilflos ist. Die Konvergenz dieser Erscheinung zu den Bedingungen am Neusiedlersee beinhaltet nicht zwangsläufig eine gleiche Kausalität, sodaß der Fall der Lachen eigens untersucht werden müßte. In den Lachen sind die Eisschiebungen meist unbedeutend, aber genauso darf man den direkten Einfluß der Wellen in diesem Falle nicht überschätzen.

Daß es sich in beiden Fällen um nicht gleichstellbare Phänomene handelt, geht schon aus der Tatsache hervor, daß der Neusiedlersee an seinem Ostufer einen fast durchgehenden, wenn auch schmalen Schilfgürtel zeigt. Die vorhandene Lücke im Gebiet von Podersdorf zeigt nach den Untersuchungen von RIEDMÜLLER (1965) eine schließende Tendenz. (1938 = 9,2 km, 1958 — 4 km). So stände beim Neusiedlersee nicht das Fehlen des Schilfgürtels (wie bei den Lachen) zur Dis­kussion, sondern vielmehr seine geringe Breite.

Mehr zu den Auswirkungen von zunehmend milden Wintern durch die menschgemachte Klimaerwärmung finden Sie im Beitrag „Warme Winter. Zittern um ein gesundes Ökosystem“. Bereits jetzt fehlt die regulierende Wirkung, die Fröste, Eis und Schnee auf unsere Natur haben.

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