Eisenstadt – quo vadis? Ist dieser Bauboom noch gesund?

In dieser Rubrik wollen wir uns der Landeshauptstadt widmen. Welche Rolle kann Eisenstadt für die Entwicklung des nördlichen Burgenlandes spielen? Teil 2 skizziert das exponentielle Wachstum der Stadt - und dessen Folgen. Teil 3 (online ab 9. Mai) wird die Attraktivität der Innenstadt aufgreifen.

Ein Bevölkerungswachstum von 24 Prozent in nur zehn Jahren – das erschien uns in der ersten Ausgabe unserer Rubrik fast weltrekordverdächtig. Offenbar setzt sich das Wachstum der Landeshauptstadt ungebremst fort. Wo sich eine Möglichkeit ergibt, wird gebaut. Wir sprechen von einem Wachstum, das die im Stadtentwicklungsplan 2030 gesetzten Maximalziele bereits heute pulverisiert hat. Im STEP 2030 ist nämlich davon die Rede, dass die Stadt in fünf Jahren maximal 16.500 Einwohner zählen sollte. Mit Stand 1. Jänner 2024 waren es bereits 16.037! 

Die Auswirkungen sind evident: Viertel, die, etwas abgehängt, aus reinen Wohnblöcken bestehen; eine Zunahme des Individualverkehrs auch innerhalb der Stadt; ein Blick, der mehr auf die Bebauung neuer Parzellen gerichtet scheint als auf die Umgebung, mit der sie korrespondieren sollte. Das alles wirkt sich auf die Stimmung der Bewohner aus, das ist zu spüren. Auch den touristischen Ambitionen der Landeshauptstadt läuft ein Verlust an Lebensqualität zuwider.

Wohnbauprojekt Obere Langäcker (nördl. der Bahn)
Wohnbauprojekt Obere Langäcker (nördl. der Bahn)
Siedlungszuwachs zwischen Eisenstadt und St. Georgen. Gerade in einer Kleinstadt fallen Wohnprojekte wie diese besonders ins Gewicht.
Siedlungszuwachs zwischen Eisenstadt und St. Georgen. Gerade in einer Kleinstadt fallen Wohnprojekte wie diese besonders ins Gewicht.
Areal des nächsten Bauvorhabens im Bereich Sätzenweg/Klausenweg, gegen das sogar eine Petition gestartet wurde.
Areal des nächsten Bauvorhabens im Bereich Sätzenweg/Klausenweg, gegen das sogar eine Petition gestartet wurde.
Bauprojekt am Sätzenweg/Klausenweg in St.Georgen  Online-Petition
Bauprojekt am Sätzenweg/Klausenweg in St.Georgen Online-Petition
Bauprojekt an der Mandelbaumallee bei Kleinhöflein. Statt Anbindung an die nächste Siedlungsstruktur, umgeben von Weingärten. Damit wird auch geworben - vorerst.
Bauprojekt an der Mandelbaumallee bei Kleinhöflein. Statt Anbindung an die nächste Siedlungsstruktur, umgeben von Weingärten. Damit wird auch geworben – vorerst.
Rosa markierte Flächen kennzeichnen Aufschließungsgebiete für Wohnen. Im türkis-eingerahmten Bereich ist die Baustelle vom Foto oberhalb (Mandelbaumallee) gut zu erkennen.
Rosa markierte Flächen kennzeichnen Aufschließungsgebiete für Wohnen. Im türkis-eingerahmten Bereich ist die Baustelle vom Foto oberhalb (Mandelbaumallee) gut zu erkennen. © by geodaten.bgld.gv.at

Zügellos: Ein vierter Baumarkt

Symbolisch für diese Entwicklung darf gesehen werden, dass der mittlerweile vierte Baumarkt in Eisenstadt entsteht – in einer Stadt mit 16.000 Einwohnern. Dass es hier nicht mehr um eine Angebotserweiterung geht, sondern um einen Verdrängungswettbewerb, der weitere Leerstände von Betriebsgebäuden nach sich zieht, ist offenkundig. Wie sind Projekte wie diese aus städteplanerischer Sicht zu beurteilen? Ganz abgesehen von dem im Bild gut erkennbaren Flächenfraß. Hier werden weitere fruchtbare Böden versiegelt.

Baumarkt-Bauprojektfläche bei Eisenstadt-Mitte.
Baumarkt-Bauprojektfläche bei Eisenstadt-Mitte.

Im Gegensatz zu den im STEP formulierten Ziele wirkt die Stadtentwicklung beliebig, geradezu planlos. Fehlen Regulative für die Landeshauptstadt?

Welche Baubestimmungen gelten für Eisenstadt?

In Eisenstadt gilt das Burgenländische Baugesetz. Eigentlich sind Gemeinden gefordert, eigene Bauordnungen zu erlassen, um auf die spezifische Situation des Siedlungsraumes einzugehen. Der Eindruck der Beliebigkeit da und dort aufpoppender Bauprojekte dürfte mit dem Fehlen einer eigenen Bauordnung für den Eisenstädter Raum zu tun haben. Wenn es um die Höhe von Gebäuden, den Lichteinfall für Anrainer oder das Straßenbild geht, dann stellt sich die Frage nach den Regeln, nach denen gebaut wird. Wie steht es um die politische Verantwortung? 

Wer übernimmt Verantwortung?

Neben der Politik muss man aber auch an die Eigentümer von gewidmeten und verwertbaren Flächen appellieren. Steht der maximale Ertrag für diese Grundstücke im Vordergrund, dann wird auch maximal verbaut. Gäbe es Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen und flächenschonende Lösungen zu finden?

Unser Zusammenleben könnte auch von einer gelebten Mitverantwortung bestimmt sein, von der alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt profitieren.

Ein gut strukturierte Partizipationsprozess für betroffene Anwohner wäre ein erster Schritt, um die Möglichkeit zu bieten, auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Gerade Eisenstadt, das mit seinen wunderbar erhaltenen historischen Stadt- und Ortsteilen überzeugt, böte eine ideale Basis für solche Modelle der Bürgerbeteiligung.

Ein Blick nach Westösterreich zeigt, wie es gehen könnte. In Vorarlberg, wie könnte es anders sein, sind solche Mitbestimmungsmodelle gang und gäbe. Best-practice-Beispiele für erfolgreiche, also tatsächlich umgesetzte Mitbestimmungsverfahren, gibt es aber auch im restlichen Österreich – in größeren und in kleineren Städten. Auch Wien setzt auf partizipative Modelle, wie in diesem Masterplan nachzulesen ist. Noch weiter ist man im niederösterreichischen Pressbaum gegangen. In der Wienerwald-Gemeinde wurde ein neues Wohnprojekt durch eine Bauherrengemeinschaft geplant und umgesetzt, die aus Bürgerinnen und Bürgern besteht. Das Ausmaß des Bauprojekts lässt aufhorchen: Es ging um 15.000 Quadratmeter.

Erste Schritte für partizipative Prozesse

Wie könnten die ersten Schritte für Eisenstadt nun aussehen? Um den Zustand der baulichen Schnappatmung zu beenden, müsste im Wohn- und Gewerbebau die Notbremse gezogen. Eine weitere Planung wäre dann unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger neu aufzugleisen. Für die Konzeption weiterer Projekte im Wohn- und Gewerbebau gäbe es sogar jetzt schon eine geeignete Grundlage: den STEP 2030.

Hier geht es zum ersten Teil unserer Rubrik „Eisenstadt – quo vadis?

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