Einzelhandel, Gastronomie, Kultur. Die Innenstädte bildeten lange Zeit funktionierende Zentren des gesellschaftlichen Lebens. Dann entstanden Gewerbeparks und große Shopping-Center an den Peripherien. Etwa ab 2010 explodierte der Online-Handel. Heute ist viel von sterbenden Stadtzentren zu lesen. Klingt zu dramatisch? Mag sein, Fakt ist aber, dass Städte, egal ob groß oder klein, ein Problem mit ihren historischen Zentren haben. Leerstände, Abwanderung von Dienstleistern, wertvolle Architekturen, aber wenig Aktivität. – Diese Entwicklung verlangt nach neuen Nutzungskonzepten.
Shopping allein schafft keine Attraktivierung
Auch in Eisenstadt wäre es Zeit, auf den Funktionswandel der Innenstadt zu reagieren. Die Verbannung der Autos aus der Hauptstraße war ein zukunftsweisender Schritt. Mit der Umwandlung in eine Fußgängerzone veränderte sich naturgemäß auch die Nutzung des öffentlichen Raums. Wie aber könnte mit diesen freigewordenen Räumen umgegangen werden? Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus, um die historischen Altstadt-Ensembles wieder mit Leben zu erfüllen? Der Handel allein kann eine Attraktivierung der Innenstadt jedenfalls nicht mehr leisten. Gefragt ist ein Mix an Angeboten.
Gebot der Stunde: Ein Mix an Angeboten
Auch für Eisenstadt wäre eine gut überlegte Mischung an Nutzungsformen nötig. Das klare Ziel sollte sein, soziale Begegnungen zu stärken, und auch die Aufenthaltsdauer zu verlängern. Wie also kann es gelingen, Menschen wieder verstärkt in die Stadt zu holen – um eine Musealisierung der Innenstadt zu vermeiden?
- Wie wäre es, mehr Grünflächen und grüne Strukturen zu schaffen? Bäume für die heißen Sommer zu pflanzen, um die Straße und Gastgärten zu beschatten? Und Versiegelung dort aufzubrechen, wo sie funktionslos ist, aber die Temperaturen in die Höhe treibt. Viele Erfahrungswerte zeigen, dass solche Maßnahmen die Aufenthalts- und Lebensqualität steigern.
- Der Einzelhandel mit spezifizierten Angeboten ist immer noch gut in der Stadt aufgehoben. Er kann zu einem dichten Netz an sozialen Begegnungen beitragen.
- Das gleiche gilt für eine gut auf die Umgebung abgestimmte Gastronomie.
- Auch die Ansiedlung von Vereinen trägt dazu bei, ein lebendiges Umfeld auch im öffentlichen Raum zu schaffen. Vereine könnten Kurse anbieten, kulturelle Angebote erweitern, im weitesten Sinn auch Ausbildungsstätten sein. Ein guter Rhythmus in der Nutzung wäre die Voraussetzung für eine erfolgreiche Intervention.
- Programmkinos mit einem Cafe im Foyer, kleine Theater, Pop-up Stores sowie andere Formen temporärer Nutzungen sind Orte, die die Aufenthaltsdauer erhöhen. Versuche dazu hat es in Eisenstadt bereits gegeben.
- Ärzte, ein medizinisches Zentrum oder eine Therapieeinrichtung, vielleicht auch ein Institut einer Universität oder Fachhochschule.
- Auch eine Musikschule in das Stadtzentrum zu holen, wäre ein Ansatz. Solche Beispiele gibt es anderswo.
- Kulturelle Veranstaltungen, die örtlich, zeitlich und von ihrer Ausrichtung stimmig an den Standort angepasst sind.

Indoor-Spielplatz: vom Zentrum an die Peripherie
Ein Indoor-Kinderspielplatz brachte frischen Wind in die Fußgängerzone. Dort tummelten sich oft 60, 70 Kinder, während wohl ebenso viele Erwachsene warteten, tratschten oder ein paar Dinge erledigten. Das wichtige Kriterium einer permanenten Nutzung wurde erfüllt. Vor zwei Jahren war dann Schluss, der Indoor-Spielplatz wurde abgesiedelt und an der Peripherie (Nähe HTL) neu errichtet. Sicherlich: mit größeren Flächen, anderen Möglichkeiten – und er ist dort wohl auch gut angenommen. Doch genau hier sind wir beim Thema: für die Innenstadtentwicklung bedeutete das einen Verlust. Projekte wie diese sind einfach wichtige Impulsgeber, wie Steinchen im Mosaik. Die Aufgabe wäre es, Ideen und Flexibilität zu entwickeln, um solche Projekte im Zentrum zu halten.
Und wie sieht das Nachleben an dieser Adresse aus? Die weitere Nutzung des Gebäudes ist, wie so oft, ungeklärt. Im vorderen Bereich ein kleines Lokal, der Rest des Gebäudes ist ein so genannter Leerstand.
Wohnen in der Stadt
Eine der besten Nutzungsformen ist natürlich, wenn in der Innenstadt möglichst viele Häuser bewohnt sind. Damit sind auch die öffentlichen Räume belebt, die Frequenz für die vorgeschlagene Infrastruktur wird erhöht. Ganz allgemein erleben wir einen Trend zum Wohnen in der Stadt. Oft wird das aber nicht gelebt, weil die Voraussetzungen dafür nur ungenügend erfüllt werden. Jobangebote wandern in die Außenbereiche, ebenso die Nahversorgung, was sich wiederum in einer erhöhten Mobilität niederschlägt. Oft genug in Form des motorisierten Individualverkehrs. In Eisenstadt zeigt sich, dass viele Menschen gerne in der Innenstadt wohnen würden. Tatsächlich ist es so, dass man in der Fußgängerzone in den oberen Etagen abends oft kein Licht sieht. Die Haydngasse ist etwas stärker bewohnt, die Pfarrgasse weniger. Auch im Bereich des Wohnens gäbe es also zur Innenstadtbelebung einigen Spielraum.
Höhere Aufenthaltsqualität
Dafür müssen aber auch die Voraussetzungen geschaffen werden. Ein zentrales Thema ist es, den Autoverkehr insbesondere auch aus den Innenstädten zu kriegen. Was braucht es dafür: eine gute Erreichbarkeit der Stadt durch öffentliche Verkehrsmittel, sichere Fahrrad- und Fußgängerwege. Familien ziehen oft gar nicht in die Stadt, weil sie das Leben für zu stressig, zu gefährlich, zu unsicher halten – oder schlicht darauf verzichten, neben einer stark befahrenen Straße zu leben und ihre Kinder großzuziehen.
Foto Kreuzung Pfarrgasse: Eine Markierung für Radfahrer reicht nicht, um ein sicheres Leitsystem herzustellen. Gerade die Achse zwischen Bahnhof und Stadtzentrum verlangt nach einer Wegführung, die familientauglich und verkehrstechnisch sicher gestaltet ist. Für alle Einwohner der Stadt, aber auch Touristen – siehe historischer Brunnen, repräsentative Bauten – wäre es ein Gebot, die Routen in die Stadt für Fußgänger und Radfahrer attraktiv zu gestalten.
Denn: Die Erreichbarkeit der Stadt ist für das Umfeld und den Tourismus, insbesondere Radtouristen – von zentraler Bedeutung. Sämtliche Maßnahmen, die hier thematisiert werden, erhöhen selbstverständlich auch die Attraktivität in touristischer Sicht. Von der Angebotserweiterung über das objektive Empfinden belebter Räume bis zum Gewinn an Lebensqualität.
Das Problem an Mobilitätskonzepten ist oft, dass motorisierter Individualverkehr nicht vermieden, sondern nur verlagert wird. Auch diese Frage hängt eng mit der Erreichbarkeit, den Wegen in die Stadt zusammen. Dazu mehr in einer der nächsten Kolumnen.
Feste als kleiner Teil notwendiger Konzepte
Auch in Eisenstadt ist in den vergangenen Jahren einiges passiert. Die Stadtbusse transportieren seit bald zehn Jahren ihre Passagiere in einem öffentlichen Nahverkehrssystem von A nach B. Beim Takt und der Anbindung gibt es allerdings noch Luft. Mit dem Innenstadtbonus konnten Betriebe angesiedelt und Leerstände reduziert werden. Wer in die Stadt kommt, erhält drei Jahre lang finanzielle Unterstützung. Auch die Idee des Events „EISENSTADT IN WEISS„, für die sich die Besucher der Fußgängerzone in Weiß kleiden, ist ein Erfolg. DJs begleiten das Publikum mit ihren Sounds, während die Shops bis in die Nacht geöffnet haben. Das ist ein Veranstaltungstyp, der – so wie etwa auch die Afterwork-Eventreihe „Music in the City“ – gut funktioniert, und gut an die Möglichkeiten der Stadt angepasst wurde. Allerdings sind solche Veranstaltungen nur ein kleiner Teil der notwendigen Konzepte, die es für eine umfassende Innenstadtentwicklung braucht.
Beispiel Baden
Dass ein Großteil der historischen Altstadt verkehrsberuhigt und in eine Fußgängerzone umgewandelt werden kann, zeigen viele kleine und mittelgroße Städte in Italien, in Deutschland, Niederlande, etc. Auch in Österreich, etwa in Baden, das einwohnermäßig etwas größer ist als Eisenstadt: Vom Hauptplatz ausgehend wurden alle Straßenzüge in Fußgängerzonen umgewandelt. Die neu gestaltete Innenstadt macht spürbar, wie sich Lebensqualität durch solche Maßnahmen erhöht. Auch das Stadttheater ist Teil dieser autofreien Zone und ist damit nicht nur mit dem Hauptplatz verbunden, sondern stressfrei erreichbar. Aus Baden wurde übrigens das Konzept der Fête Blanche (BADEN IN WEISS) übernommen. – Wie wäre es, sich auch an diesen Maßnahmen zu orientieren?
Nächste Rubrik: Die Plätze der Stadt – und ihre eigentlichen Potenziale
Unerlässlich sind dafür Orte, an denen man sich begegnet, an denen man zur Ruhe kommen kann – und sich einfach wohl fühlt. Eisenstadt hätte mehrere Plätze, die sich dafür eignen. Den Status quo dieser Plätze und die Potenziale, die es dort gäbe, wollen wir uns in der nächsten Ausgabe unserer Rubrik ansehen.
In unserer letzten Rubrik haben wir uns dem Bauboom in Eisenstadt und seinen Auswirkungen gewidmet.