Grundwasser im Seewinkel: Dotation als Chance?

Wie ist die Zufuhr (Dotation) von Fremdwasser in den Seewinkel hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wasserqualität zu beurteilten? Ein Beitrag von Alfred Paul Blaschke.



Dieser Textbeitrag von Alfred Paul Blaschke, Professor an der TU Wien, entstand für die Publikation „Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise„, erschienen im März 2023.

Im Seewinkel gibt es keine natürlichen Flüsse. Die Erneuerung des Grundwassers erfolgt daher ausschließlich durch Versickerung von Niederschlagswasser. Angesichts geringer Niederschlagsmengen wäre ein Gesamtkonzept wichtig, wie das Wasser in der Region zu halten ist. Gegen eine zusätzlich geplante Dotation zur Auffüllung des Grundwasserkörpers des Seewinkels gibt es zumindest hinsichtlich der Wasserqualität keine grundsätzlichen Einwände, offene Fragen sind jedoch zu klären


Der Grundwasserkörper: überwiegend stark durchlässig

Das Grundwasser im Seewinkel ist überwiegend als oberflächennahes Porengrundwasser gekennzeichnet (Umweltbundesamt 2020). Der österreichische Anteil am Grundwasserkörper weist eine Gesamtfläche von 412 Quadratkilometern auf und die Geländeoberkante hat eine mittlere Seehöhe von 120 Meter über Adria (mit einer Bandbreite von 108 bis 140 Meter über Adria). Er wird im Norden durch die markant abfallende Parndorfer Platte begrenzt, im Westen und Südwesten durch den Neusiedler See und im Süden durch den – in Ungarn verlaufenden – Einser-Kanal.

Der Grundwasserkörper Seewinkel besteht geologisch aus jungpleistozänen Schotterfluren des südlichen Vorlandes der Parndorfer Platte. Im Mittel beträgt die Mächtigkeit des Aquifers 13 Meter und variiert sehr stark zwischen einem und 43 Metern. (Anm.: Der Aquifer ist die wasserführende Schicht aus Gestein und Sedimenten.) Größere Flächen sind von Seeschlamm-Ton-Ablagerungen überlagert. Die darunter liegenden fluviatilen Ablagerungen (Sand, Kies) weisen eine gute Wasserdurchlässigkeit auf.

Die Grundwassermächtigkeit nimmt zum Neusiedler See hin deutlich ab und die dichteren Untergrundverhältnisse im Uferbereich bilden quasi eine Barriere. Dadurch kommt es zu keinem nennenswerten Wasseraustausch zwischen dem Grundwasserkörper des Seewinkels und dem Neusiedler See. Der Durchlässigkeitsbeiwert der Schotter (kf-Wert) liegt im Mittel bei 4×10–4 m/s, das bedeutet, der Grundwasserkörper ist überwiegend stark durchlässig.

Die besondere Grundwassersituation des Seewinkels

Der Grundwasserkörper im Seewinkel stellt klimatisch eine Besonderheit dar. Der natürliche Wasserhaushalt im Gebiet wird von den geringen Jahresniederschlägen von unter 600 Millimetern und den warmen Lufttemperaturen wesentlich bestimmt. Der deutliche Einfluss des pannonischen Klimas führt zu einer hohen Durchschnittslufttemperatur, wodurch die Verdunstung speziell in den Sommermonaten häufig zu einer negativen Wasserbilanz in dieser Periode führt. Die Folge davon ist ein typischer Jahresgang im Grundwasserspiegel mit Höchstständen im Frühjahr und niederen Verhältnissen im Spätsommer.

Im Seewinkel sind keine natürlichen Flüsse vorhanden, wodurch die Möglichkeit der Erneuerung des Grundwassers durch die natürliche Versickerung aus Fließgewässern wegfällt.

Eine Grundwassererneuerung erfolgt daher ausschließlich durch die Versickerung von Niederschlagswasser. Das ist aufgrund der im österreichischen Vergleich geringen Niederschlagsmengen eines der Hauptprobleme des Seewinkels. Diese Rate der Grundwasserneubildung ist im Verhältnis zu den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen relativ klein, weshalb schon in diversen Studien darauf hingewiesen wurde und wird, dass es sich beim Seewinkel um ein aus wasserwirtschaftlicher Sicht ausgesprochen sensibles Gebiet handelt.

Betrachtet man längere Zeitreihen des Grundwasserstandes, so ist erkennbar, dass immer wieder Perioden mit trockenen, aber auch nassen hydrologischen Verhältnissen aufgetreten sind, die ihrerseits unterschiedliche wasserwirtschaftliche Probleme in der Region hervorrufen können. Prognosen zu den Auswirkungen des Klimawandels für diese Region sind derzeit kaum möglich. Das liegt daran, dass in Studien zum Klimawandel gezeigt wird, dass mit einer saisonal unterschiedlichen, geringen Zunahme des Niederschlages gerechnet wird und sich andererseits durch den generellen Temperaturanstieg die Verdunstung erhöht.

Inwieweit sich diese beiden Wasserhaushaltskomponenten – erhöhter Niederschlag und erhöhte Verdunstung – letztendlich auf die Grundwasserneubildung auswirken, ist derzeit nicht seriös einzuschätzen. Fest steht, dass in Regionen wie dem Seewinkel der Bewirtschaftung der Wasservorkommen eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen muss.

Eine weitere Auffälligkeit im Seewinkel sind die längeren Aufenthaltszeiten bzw. geringen Fließgeschwindigkeiten des Grundwassers, was auf das sehr geringe Grundwassergefälle zurückzuführen ist. Diese geringen Fließgeschwindigkeiten können zu Verweilzeiten von mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten führen. Diese aus hydraulischen Größen abgeleiteten Verweilzeiten wurden durch Messungen zum Grundwasseralter in einer Studie bestätigt.

Die Studie zeigte, dass sieben der zwölf Messstellen im Grundwasserkörper Seewinkel mittlere Verweilzeiten von elf bis 25 Jahre aufweisen; je zwei Messstellen fallen in die Altersgruppen von fünf bis zehn Jahren und 26 bis 50 Jahren; für eine Messstelle wird ein Alter von über 50 Jahren angegeben.

Der Bau strategisch gesetzter Wehre sowie weitere Maßnahmen reagieren auf die sensible Situation im Seewinkel: Die teilweise Anhebung des Grundwasserspiegels (zugunsten der Sodalacken) sowie Senkung (in Siedlungsgebieten) ist Teil des Wasserbewirtschaftungsplans. © by Illustration aus der Machbarkeitsstudie (Gruppe Wasser)

Interessengegensätze und mögliche Lösungsansätze

Neben der sensiblen wasserwirtschaftlichen Situation kommen im Seewinkel die zahlreichen Nutzungen hinzu, die den Grundwasserkörper zunehmend stark beanspruchen. Dazu zählen u. a. die Landwirtschaft mit der sehr großen Anzahl von Bewässerungsbrunnen; der Naturschutz mit seinem Ziel, die Verhältnisse des Grundwasserstands besonders im Bereich der Salzlacken und dem Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel zu erhalten; der Tourismus und die Erhaltung von Bademöglichkeiten; der Hochwasserschutz in den Siedlungen (Stichwort: Kellervernässung); der Erhalt von Nassflächen (auch aus jagdlicher Sicht); sowie die Frage der Entsorgung von gereinigtem Abwasser und in weiterer Zukunft die Nutzung für die Trinkwasserversorgung.

Wenngleich in den vergangenen Jahrzehnten oft die Probleme während trockener Jahre im Mittelpunkt des Interesses standen, so haben nasse Jahre im letzten Jahrzehnt gezeigt, dass dieser starke Wechsel zwischen trockenen und nassen Jahren eine ausgewogene Wasserwirtschaft zusätzlich erschwert.

Konkrete Maßnahmen für eine adäquate Wasserbewirtschaftung

Die bereits erwähnten, extrem gegensätzlichen hydrologischen Situationen im Seewinkel lassen eine allen Interessen gerecht werdende Wasserwirtschaft kaum zu. Im Gegensatz zu den natürlichen Schwankungen im Jahresverlauf (hohe Grundwasserstände im Frühjahr und niedere Grundwasserstände im Herbst), welche auch im Seewinkel in „Normaljahren“ immer wieder vorkommen, sind es die über mehrere Jahre anhaltenden trockenen oder auch feuchten Phasen, die ein ausgewogenes Management schwierig machen. Wobei das insbesondere auf die längeren trockenen Perioden zutrifft.

Als wichtige Voraussetzung für ein machbares Management für den Grundwasserkörper Seewinkel muss an dieser Stelle betont werden, dass jede Maßnahme mögliche kleinere oder größere Auswirkungen auf die anderen Maßnahmen haben kann und dass für das Grundwasser keine Gemeinde- oder Grundgrenzen existieren.

Das bedeutet aber auch, dass bei Eingriffen in dieses hochsensible System der mögliche Einfluss großräumig gedacht werden muss. Schon in den älteren Untersuchungen zur Wasserwirtschaft im Seewinkel wurde darauf hingewiesen, dass es von großer Bedeutung ist, möglichst viel (Grund-)Wasser im Gebiet zu halten. Diesem Ziel des Wasserrückhaltes wurde auch in den zuletzt ausgearbeiteten Grundlagenstudien zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft im Seewinkel Rechnung getragen.

Mögliche Maßnahmen

Wie dargestellt, sind sowohl Hoch- als auch Niederwasserperioden zu berücksichtigen. Beispielhaft können folgende Maßnahmen angeführt werden:

Bei hohen Grundwasserverhältnissen:

  • das gesteuerte Ableiten über Drainagegräben und die Überprüfung des vorhandenen Systems an Gräben
  • als wichtige begleitende Maßnahme die Pflege und der Erhalt dieser Gräben 

  • die Errichtung von Wehranlagen, deren Steuerung aufeinander abzustimmen ist 

  • die Errichtung eines Kanals parallel zum 
Einser-Kanal zur Sammlung der Drainagegräben und die gezielte Abfuhr in den Einser-Kanal oder eine mögliche Rückführung in den nördlichen Teil und Wiederversickerung

Bei niederen Grundwasserverhältnissen:

  • die Errichtung von Wehranlagen, deren Steuerung aufeinander abzustimmen ist 

  • als wichtige begleitende Maßnahme die Pflege und der Erhalt dieser Gräben 

  • Einschränkungen bei der landwirtschaftlichen Bewässerung 

  • Änderungen der Art von Bewässerungen bzw. bei der Wahl der Nutzpflanzen 

  • eine Fremdwasserzufuhr (siehe weiter unten)

Gesamthafte Grundwasserbewirtschaftung:

Unter Berücksichtigung dieser Ansätze wurden bereits früher erste Maßnahmen umgesetzt, wie etwa die Errichtung einfacher Wehranlagen. Diese wurden in den vergangenen zehn Jahren mit etwas mehr Umsicht erweitert bzw. neu gestaltet.

Ein Gesamtkonzept wurde jedoch erst in der Machbarkeitsuntersuchung zu einer Grundwasserbewirtschaftung ausgearbeitet. Aber auch hier sind noch einige grundsätzliche Fragen offen geblieben.

Einige Untersuchungen in den vergangenen Jahren zeigten machbare Ansätze im kleinen Rahmen auf, wie zum Beispiel eine Grundwasserabsenkung im Zentralbereich zum Schutz vor Kellervernässungen durch Tieferlegen des Seewinkel-Hauptkanals. Auch wenn diese Maßnahmen lokal erfolgreich wirken können, so ist die Sicht auf die gesamte Situation meist nicht gegeben. Das ist jedoch oft auch dem Fehlen von entsprechenden Möglichkeiten einer großräumigen Betrachtung geschuldet.

Fremdwasserzufuhr: strenge Vorgaben erforderlich

Aufgrund der klimatischen Entwicklungen ist – bei aller Unsicherheit – mit einer Zunahme der trockenen Perioden in den kommenden Jahren bzw. Jahrzehnten zu rechnen. Folgt man diesem Ansatz, wird es ohne eine Zufuhr von Fremdwasser in den Seewinkel kaum möglich sein, eine den unterschiedlichen Interessen weitgehend gerecht werdende Wasserbewirtschaftung umzusetzen.

Eine diesbezügliche Überlegung der Burgenländischen Landesregierung ist eine Fremdwasserzufuhr aus der Mosoni Duna. Als Ergänzung der Untersuchung, ob für ein wasserwirtschaftliches Gesamtkonzept für den Seewinkel (Machbarkeitsstudie, „Gruppe Wasser“) eine solche Fremdwasserzufuhr sinnvoll ist, wurden auch die chemischen und gewässerökologischen Auswirkungen einer Dotation des Grundwassers im burgenländischen Seewinkel sowie des Neusiedler Sees mit Wasser aus der Mosoni Duna untersucht. Dieses erste Gutachten zur Wasserzufuhr in den Seewinkel und den Neusiedler See ist zu folgendem Ergebnis gekommen (wobei lediglich auf bestehende Daten ohne zusätzliche Analysen zurückgegriffen wurde):

Abschließend kann festgehalten werden, dass es keine grundsätzlichen „red flags“ gibt, die eine Dotation des Grundwassers des Seewinkels sowie des Neusiedler Sees im Hinblick auf die Wasserqualität als nicht realisierbar erscheinen lassen. Es bedarf jedoch weiterer Planungen und vor allem strenger Vorgaben in hydrologischer und hydrochemischer Hinsicht, um mögliche negative Auswirkungen zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.

Im Falle des Seewinkels besteht die Chance, mit der Grundwasseranreicherung negative Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte umzukehren und zum Schutz der Salzlebensräume im Seewinkel beizutragen.

Der Neusiedler See selbst „braucht“ aus ökologischer Sicht keine Wasserzufuhr und würde seinen Charakter als Steppensee und damit die Grundlage für die hohe ökologische Wertigkeit auch bei häufigen Niedrigwasserständen erhalten. Es sind aber Szenarien einer Dotation denkbar, die mit den ökologischen Zielen gemäß der „Strategiestudie Neusiedler See“ vereinbar erscheinen.

Eine Wasserzuleitung mit maximal einem Kubikmeter pro Sekunde über sechs Monate ab einem Wasserstand von 115,2 Meter über Adria wird von den Verfassern als ein solches Szenario angesehen. Diese Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die zu Beginn angesprochenen Themen der Wasserqualität in hydrochemischer Hinsicht, bedürfen jedoch noch tiefer gehender Untersuchungen. Fragen zur mikrobiell-hygienischen Wasserqualität sowie Naturschutzaspekte wurden hier nicht berücksichtigt.

Einige Wochen mit Regenphasen sind deutlich zu wenig, um die vergangenen Trockenjahre zu kompensieren. Für eine Erholung der Grundwasserkörper wären mehrere Winter mit ausreichend flüssigen oder festen Niederschlägen nötig. Das kühle, vorsommerliche Wetter hat die Entnahme aus dem Grundwasser zwar verzögert. Sobald die Beregnung der Felder einsetzt, wird aber wieder auf die Wasserreserven zugegriffen. Strukturelle Maßnahmen, um den Grundwasserkörper zu regenerieren, sind trotz der Niederschläge auch weiterhin notwendig.

Anmerkung: Der Text bezieht sich zu seiner Entstehung auf die geplante Wasserzufuhr aus der Moson-Donau in Ungarn. Diese Lösung konnte nicht realisiert werden, wir haben über das Ende der Dotationspläne aus Ungarn berichtet. Als Alternative wird eine Fremdwasserzufuhr aus der niederösterreichischen Donau angestrebt. Die geplanten Maßnahmen zur Durchfeuchtung des Seewinkels, wie in der Machbarkeitsstudie zur Erstellung eines Wasserbewirtschaftungsplans dargestellt, bleiben im wesentlichen aufrecht.

Alfred Paul Blaschke ist Professor an der TU Wien am Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie. Er ist Autor zahlreicher Forschungsprojekte und Studien im nördlichen Burgenland seit über 30 Jahren. Der Text basiert u. a. auf einem – gemeinsam mit Georg Wolfram, Matthias Zessner, u. a. – im März 2021 erstellten Dotationsgutachten: Gutachten über die chemischen und gewässerökologischen Auswirkungen einer Dotation des Grundwassers im burgenländischen Seewinkel und des Neusiedler Sees mit Wasser aus der Moson-Donau.

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