Podiumsdiskussion mit Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb: „Keine simplen Lösungen“

Unter reger Publikumsbeteiligung fand am 9. Juli im Seebad Breitenbrunn die Veranstaltung "Eine Region in der Klimakrise. Wie können wir Teil der Lösung sein?" statt.

Der Verein „Zukunft Neusiedler See“ nahm die jüngste Publikation der Meteorologin Helga Kromp-Kolb – „Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung“ – zum Anlass, um zu einem Publikumsgespräch am „Neuen Strand“ einzuladen. Obfrau Birgit Braunstein betonte einleitend, dass es unerlässlich sei, gemeinsam Lösungen zu finden. Alois Lang führte als Moderator und Gesprächspartner mit viel Übersicht durch den Abend.

Dass die Veranstaltung als Publikumsdiskussion geplant war, wurde von den Teilnehmenden gerne angenommen. Zentrale Themen waren die Frage der Wasserknappheit in der Region und wie sich – im vorhandenen, knappen Zeitfenster – Emissionen vermeiden lassen. Wo beginnt man im Alltag selbst mit einer Änderung der Gewohnheiten? Wer ist mit dem Auto, wer öffentlich nach Breitenbrunn angereist? Wie steht es mit den Mobilitätskonzepten in der Region, welche Angebote gibt es für die „Last Mile“? Und welche Rolle spielt der Wasserverbrauch der Landwirtschaft – und der der Gemeinden? Sind die vergleichsweise guten Niederschläge 2024 mit einer „Entwarnung“ hinsichtlich der Wassersituation gleichzusetzen? Die angeregte Diskussion machte den breiten gesellschaftlichen Impact deutlich, der für Lösungsansätze in der Klimakrise notwendig ist.

Alois Lang im Gespräch mit Helga Kromp-Kolb. © by Maria Aschbacher

Gibt keine simplen, kurzfristigen Lösungen

Helga Kromp-Kolb bemühte sich zu Beginn, deutlich zu machen, wie komplex die Klimakrise ist. – Nicht im Sinn von „kompliziert“, sondern als umfassender Themenkomplex, der in viele Sektoren vom Verkehr über die Landwirtschaft bis in die Wirtschaft und Industrie und die kleinsten Alltagsbereiche hineinwirkt. „Es gibt keine simplen, kurzfristigen Lösungen“, warnte Kromp-Kolb vor falschen (politischen) Versprechungen und der Hoffnung, möglichst bequeme Antworten auf die Klimaerwärmung zu finden.

„Wir dürfen uns nicht mit kurzfristigen Lösungen zufrieden geben, sondern müssen genauer auf die Problemfelder und deren Zusammehänge hinsehen. Dabei ist es unerlässlich, Perspektiven zu entwickeln.“

Helga Kromp-Kolb

Die Wissenschaftlerin skizzierte in wenigen Worten die gesellschaftliche Dimension der Klimaproblematik, die sich mit Insellösungen keinesfalls lösen lasse. Dieser umfassende Blick, den Kromp-Kolb für das Publikum eröffnete, zeigte, dass sie der Verlag am Cover ihrer aktuellen Publikation zurecht als „Österreichs Klimapionierin“ bezeichnet. Kromp-Kolbs Anliegen ist es nicht nur als Wissenschaftlerin, Grundlagenforschung für politische Entscheidungen verfügbar zu machen, sondern auch, die unbedingte Beteiligung von uns allen deutlich zu machen. „Fridays for Future“ sei dabei nur ein Beispiel, wie auch eine junge Generation Verantwortung übernimmt.

  • Gespräch mit der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb und Alois Lang im Seebad Breitenbrunn.

Im Publikum dürften sich einige gefragt haben, woher Kromp-Kolb ihren Optimismus nimmt. Dass Pessimismus keine Lösung ist, lässt im Umkehrschluss aber nicht unbedingt auf Zweckoptimismus schließen. Vielmehr geht es der Wissenschaftlerin darum, aufzuzeigen, dass es alternativlos ist, zu handeln. Das wird auch im Interview mit Helga Kromp-Kolb auf dieser Website deutlich.

Klimaforschung: Aktuell zwei brennende Fragen

Aktuell wird, so Kromp-Kolb, besonders über zwei Fragen in der Klimaforschung diskutiert. Erstens:

Es ist auf der Welt deutlich wärmer, als die Modelle errechnet haben.

Dass die Temperaturkurve global stärker nach oben zeigt, als die Wissenschaft in zahlreichen Modellen errechnet hat, gibt Fragen auf: Ist das Zufall? Oder ist diese rasche Erderwärmung systemisch bedingt? „Das wäre ganz klar ein Alarmsignal“, so Kromp-Kolb. Dazu wird aktuell im Klimabereich viel diskutiert und geforscht. Und zweitens:

Kommt die Atlantische Umwälzströmung zum Erliegen?

Die Atlantische Umwälzströmung AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation), häufig vereinfacht auch als Golfstrom bezeichnet, verlangsamt sich. Die AMOC verschiebt wie ein Förderband warme Wassermassen aus den Tropen in die nördliche Erdhalbkugel und kalte Wassermassen in die südliche. Ohne diese globale und hochkomplexe Meeresströmung wäre etwa im Norden Europas keine Landwirtschaft und kaum Leben möglich. Es wäre schlicht zu kalt.

Dass sich die AMOC verlangsamt, ist mittlerweile mit Modellen belegt, so Kromp-Kolb. (Mehr dazu beim weltweit führenden Forscher in dieser Frage, beim Ozeanograf und Klimaforscher Stefan Rahmstorf, der auch auf Social Media laufend von jüngsten Ergebnissen berichtet.) Möglicherweise wird der Kipppunkt laut Kromp-Kolb bereits 2025 erreicht. Danach wäre es nicht mehr möglich, das Erliegen der AMOC aufzuhalten. Für Österreich und das Nordburgenland würde das u. a. vor allem für den Winter eine deutliche klimatische Verschiebung bedeuten. Es wäre im Sommer durchschnittlich ein Grad kühler, im Winter rund sieben Grad kälter.

Der Weg zur Reduktion der Treibhausgase

Wie weit sich das globale Klima noch erwärmt, haben wir aber selbst in Hand, so Kromp-Kolb. Die Europäische Union plant, die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Um diese Ziele tatsächlich zu erreichen, führe laut Kromp-Kolb kein Weg an einer Reduktion des Energieverbrauchs vorbei. Das bedeute aber auch, dass wir weniger Energie zur Verfügung habe. Für die Klimaforscherin ist das nicht unbedingt mit „Verzicht“, sondern vielmehr mit Gewohnheitsänderungen verbunden. Alltagshandlungen müssten auf ihre Notwendigkeit hinterfragt, neue Angebote für ressourcenschonende Abläufe entwickelt werden. Deshalb sei es wichtig, ein umfassendes Bild zu zeichnen.

Positiv: Zertifizierungsprozess im Burgenland

Für den Tourismusmanager und Regionalentwickler Alois Lang ist der laufende Prozess für eine nachhaltige Zertifizierung des Tourismus im Burgenland positiv. Die vergangenen 13 Monate, die jeweils Rekordtemperaturen aufwiesen, zeigen, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Lang pflichtete Kromp-Kolb bei, dass der Klimawandel eine Querschnittsmaterie ist, die alle Sektoren betrifft. Insofern sei das auch ein Thema für den Tourismus in der Region Neusiedler See, die schon früher als das restliche Österreich von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist. Auch Alois Lang sprach sich für eine Bedarfsreduktion im Energiebereich aus und dafür, dass diese Teil des (politischen) Diskurses und der Kommunikation sein müsse.

Anreise: Ohne Auto in die Region Neusiedler See?

Wer ohne Auto zur Veranstaltung angereist sei, war eine der Fragen, die zu Beginn der Diskussion aufgebracht wurde. Anknüpfend daran skizzierte Kromp-Kolb ein Szenario: In Zukunft würden sich Touristen gar nicht mehr leisten können, mit dem Auto anzureisen. Aber auch heute gebe es bereits viele Möglichkeiten, eine Anreise logistisch zu lösen. Wenn es möglich ist, trotz Zwischenstops von Wien nach Shanghai fliegen zu können, ohne dass man sich um das Gepäck kümmern muss, sollte es auch möglich sein, innerhalb eines Landes auf diese Weise eine Destinationen zu erreichen. Das sei aber nur ein Beispiel von vielen, dass es Lösungen für die Zukunft braucht. Diese gelte es zu erarbeiten. Die Zeit dafür ist jetzt.

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