Kein Eis am Neusiedler See problematisch für Schilfschneider und Natur

Die warmen Winter sind für die Schilfernte zur Herausforderung geworden. Schilf Management ist nicht nur wirtschaftlich sondern auch ökologisch wertvoll.

Durch die schwierigen Bedingungen ist die Anzahl der Schilfschneider stark zurückgegangen. Von den vielen Schilfschneidern gibt es in der Region Neusiedler See heute nur noch wenige, zu denen Jacobus van Hoorne in Weiden und Erwin Sumalowitsch in Podersdorf am See gehören. Der Beruf des Schilfdachdeckers gilt als nahezu ausgestorben, obwohl die Nachfrage nach dem qualitativ hochwertigen Schilf vom Neusiedler See groß wäre.

Im Prinzip trauen wir uns nicht einmal, Werbung zu machen, weil es schon schwierig genug ist, die jetzige Nachfrage zu befriedigen, die nicht zuletzt deshalb so groß ist, weil Schilfdächer wieder genau dem Zeitgeist beim Bauen entsprechen. Natürlichkeit, Nachhaltigkeit und Regionalität sind gefragt.

Jacobus van Hoorne, Schilfdachdecker aus Weiden am See

Mehr darüber lesen Sie im Buch „Das Ende des Neusielder Sees? Eine Region in der Klimakrise.“

Jacobus (li.) und Arie (re.) van Hoorne zählen zu den letzten Schilfdachdeckern und Schilfschneider des Burgenlandes. Vater Arie stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Dort lernte er das Schilfdachdecken, machte sich selbstständig und kam in den 1980er-Jahren zum ersten Mal ins Burgenland. Sein Sohn Jacobus verließ CERN in der Schweiz, um mit seinem Vater zu zu arbeiten. © by Lukas Beck

Das Problem mit dem Schilf am Neusiedler See

Mit einer Fläche von rund 180 Quadratkilometern umfasst der Schilfgürtel des Neusiedler Sees eine beeindruckende Größe. Seit Jahren weiß man durch wissenschaftliches Monitoring, dass die Vitalität dieses Ökosystems massiv eingebrochen ist. Rund die Hälfte des Schilfbestandes ist degradiert und besteht aus Alt- oder Knickschilf. Diese Bereiche sind etwa auch für Schilfspezialisten unter den Vögeln nicht mehr attraktiv. Teils deutliche Einbußen bei den Vogelbestandspopulationen sind die Folge.

Das Absterben des Schilfs hat sich auch dadurch beschleunigt, dass die Schilfernte seit den 1960er-Jahren dramatisch zurückgegangen ist. Seit den 1990er-Jahren ist das winterliche Abbrennen von Schilf aus Luftreinhaltungs- und Klimaschutzgründen verboten. Auch das trägt zum Verlust vitaler Schilfbestände bei. Denn der Einsatz von Feuer war früher ein wichtiger Teil der Bewirtschaftung, weil er zur Vorbereitung der Ernteflächen des Folgejahrs diente.

Wie konnte es zur Degradation des Schilfgürtels kommen? Die Klimaerwärmung und damit verbundene fehlende Eisdecken gestalten die Bewirtschaftung durch Schilfschneider schwierig. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Betriebe, die hier aktiv sind. Auch das hat zum Einbruch der Schilfbestände beigetragen. Aber auch die frühere Praxis, Schilfflächen abzubrennen, hatte zu einer raschen Verjüngung der Bestände beigetragen. Der Einsatz kontrollierter Feuer ist aufgrund des strengen Luftreinhaltegesetzes derzeit nicht möglich. Eine Entscheidung des Klimaministeriums wird für die nächsten Wochen erwartet. Wir haben berichtet.

Als Feuchtgebiet nach der Ramsar-Konvention und Naturraum von hohem öffentlichen Interesse besteht also Handlungsbedarf, um eine Bestandsverbesserung zu erreichen.

Raster an Kanälen würde Schilfernte am Neusiedler See enorm erleichtern

Im Gespräch erzählt Van Hoorne, dass es an sich kein Problem ist, das Schilf auch tiefer Richtung See zu ernten. Allerdings mache es wirtschaftlich wenig Sinn, längere Wege zurückzulegen, nachdem genügend Flächen vorhanden seien. Aus seiner Sicht wäre es aber überlegenswert, ein System an Kanälen anzulegen, um den Schilfgürtel besser managen zu können.

Dass das eine sinnvolle Maßnahme wäre, bestätigen auch Ökologen. In Verbindung mit einem Brandmanagement könnte man bei der Vitalisierung des Schilfgürtels einen Schritt weiterkommen, so die Einschätzung von Experten.

Seit den 1990er-Jahren ist das winterliche Abbrennen von Schilf aus Luftreinhaltungs- und Klimaschutzgründen verboten. Auch das trägt zum Verlust vitaler Schilfbestände bei. Denn der Einsatz von Feuer war früher ein wichtiger Teil der Bewirtschaftung, weil er zur Vorbereitung der Ernteflächen des Folgejahrs diente.
Jänner 2024: Brandschutzübung im Schilfgürtel in Jois. © by Felix Watzek

„Kontrolliertes Abbrennen von Schilf ist absolut notwendig“

Nach dem Eintreffen der letzten Berichte sollte das umwelttechnische Monitoring demnächst abgeschlossen sein. Für das erste Quartal 2025 wird auf Basis der wissenschaftlichen Auswertung ein Ergebnis erwartet. Die für Naturschutz zuständige Landesrätin Astrid Eisenkopf äußerte sich bereits mehrfach positiv zu einem möglichen Brandmanagement und wies in Jois darauf hin,

„dass wir innerhalb des Natura 2000-Gebietes eine Verpflichtung haben, den Lebensraum Schilf zu erhalten und nachhaltig zu verbessern. Ein Brandmanagement und damit ein kontrolliertes Abbrennen wird uns von zahlreichen Expertinnen und Experten empfohlen und ist aus unserer Sicht deshalb absolut notwendig.“

Astrid Eisenkopf

Schilfernte und Brandrodung auch aus Naturschutz-Sicht notwendig

Seitdem nur mehr wenig Schilf geerntet wird und kein Feuereinsatz mehr stattfindet, sammelt sich verstärkt totes organisches Material an, das letztlich zum Zusammenbruch des Schilfgürtels führt. Weil die gleichmäßige Wasserführung die Verjüngung behindert, zerfällt der Schilfgürtel, nur auf der seeseitigen Schilffront, die gut durchlüftet ist, kommt es gegenwärtig zu lokaler Schilfausbreitung. 

Abhilfe für das Problem muss auf zwei Wegen gesucht werden: Zunächst sollte für den Schilfgürtel ein gezieltes Brandmanagement wiedereingeführt werden, um die Anreicherung von totem Material zu bremsen und die Vitalität der Schilfbestände zu steigern. 

Langfristig ist es wichtig, am Neusiedler See wieder ein breiteres Spektrum an Wasserstands-Schwankungen zuzulassen. Niedrige Wasserstände und ein gelegentliches Trockenfallen des Schilfgürtels sind für die Zersetzung des organischen Materials und für die Verjüngung der Schilfbestände unverzichtbar.

Eine Seezuleitung aus der Donau würde die Probleme verschlimmern

Zeitweise hohe Wasserstände sind für die gesamte aquatische Lebensgemeinschaft wichtig. Eine dauernde gleichmäßige Wasserführung ist hingegen schlecht, sie widerspricht der Natur des Steppensee-Ökosystems Neusiedler See. Daher ist eine künstliche Dotierung des Sees und die damit verbundene Stabilisierung der Wasserstände auch aus der Sicht des Schilfmanagements abzulehnen.

Mehr dazu im Kommentar des Biologen und WWF-Experten Bernhard Kohler.

Über die Herausforderungen des Klimawandels in der Region Neusiedlersee

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Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise Fachlich präzise und dennoch bestens verständlich: Wissenschaftlich fundiert bietet diese Publikation einen systematischen Überblick für alle, die mehr über die Region Neusiedler See wissen wollen. Über den Wert des Ökosystems, die Gefährdung des Steppensees oder die Tücken des Schilfgürtels.

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