Während Experten und ein interessiertes Publikum Anfang Februar im Weinwerk über den Umgang mit der knappen Ressource diskutieren, erlebt die Region eine deutliche Trockenphase. Gerade im Winter, im Jänner und Februar, sollten Niederschläge für eine Auffüllung der Grundwasserkörper sowie des Seebeckens sorgen. Stattdessen herrscht Regenflaute. Daran wird deutlich: Der Umgang mit dem Wasser ist die Frage, die alle in der Region betrifft. Von der Landwirtschaft über den Naturschutz bis zum Tourismus – und damit natürlich auch die Kommunen sowie jeden Bürger und jede Bürgerin.
Teil 2 der Veranstaltungsreihe zum Wassermanagement machte sich wieder auf die Suche nach zukunftstauglichen Konzepten. Gemeinsam mit der Foster Europe Foundation lud der Verein „Zukunft Region Neusiedler See“ Experten zum Austausch ein. Stefan Lütgenau (Foster Europe) skizzierte eingangs den Ansatz der Foresight Strategy, durch die in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Stakeholdern Szenarien für die Zukunft entwickelt und überprüft werden sollen. Doch bereits heute drängen die Probleme.

Weingärten klimafit gestalten
Die Bio-Winzerin Birgit Braunstein aus Purbach betonte, dass es trotz jahrelanger Bemühungen, die Wasserspeicherfähigkeit der Böden (durch Humusaufbau, Bedeckung, etc.) zu stärken, 2024 zu Engpässen kam. Sie zieht daraus den Schluss, dass einzelne Maßnahmen keine Garantie mehr dafür sind, um die klimatischen Entwicklungen auszugleichen.
Wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen und neue Ansätze, um zukunftsfit zu werden. Deshalb ist es in der Region nötig, die Frage des Umgangs mit Wasser und mit anderen knappen Ressourcen gemeinsam durchzudenken. Um die Resilienz zu stärken und den Einsatz von Umweltgiften zu vermeiden.
Birgit Braunstein, Obfrau Verein Zukunft Region Neusiedler See
Dieses Jahr läuft ein Forschungsprojekt von Braunstein mit der BOKU Wien, um die Möglichkeiten eines Agroforst in Verbindung mit dem Weinbau zu evaluieren.

Frank Schindler, Geschäftsführer des Bio-Weinguts Esterházy, berichtete darüber, welche Spielräume es für Winzer angesichts der Klimaerwärmung gibt.
Die Frage ist nicht, ob es einmal keinen Weinbau mehr in der Region gibt, sondern welche Rebsorten sich für ein heißer und trockener werdendes Klima eignen. Es ist möglich, darauf zu reagieren: Durch die Sortenauswahl, die Anbauform und wie man die Erziehung der Pflanzen darauf abstimmt.
Frank Schindler, Weingut Esterházy
In der Praxis habe man gute Erfolge erzielt, die Pflanzen tiefer wurzeln zu lassen. Dafür würden, so Schindler, die oberflächlichen Wurzeln abgetrennt, während mit einer Sonde Wasser einen halben Meter tief in das Erdreich gepresst wird. Eine Maßnahme, die nur in der Anfangsphase nötig sei, so Schindler. Der positive Effekt: Die Flächen, die in Ertrag stehen, müssen danach nicht mehr bewässert werden.

Das Gebot, den Wasserverbrauch zu reduzieren, gilt für die gesamte Landwirtschaft der Region. Ein Paradigmenwechsel, wie sich Gerald Kern, Sprecher der IG Bewässerung, erinnert. Noch sein Vater meinte, das Wasser muss weg, denn auf den Feldern sei es oft gatschig gewesen, so der Landwirt aus St. Andrä am Zicksee. Heute wünsche sich die Interessensgemeinschaft hohe Grundwasserstände.
Wir wollen das Wasser hierbehalten. Deshalb beteiligen wir uns auch an den Staustufen. Aber, man muss bedenken: Alles, was derzeit gewinnbringend produziert wird, ist auch mit Wasserverbrauch verbunden.
Gerald Kern, IG Bewässerung
Die Anlage von Sperren in den Kanälen, um das Abfließen des Regenwassers zu verhindern, Staustufen in den Kanälen, gelinge gut, so Kern. Der Wasserhaushalt in Tadten etwa sei so austariert, dass auch die sensiblen Flächen, wie zum Beispiel die Häuser beim Sportplatz am nördlichen Rand des Ortes, „nicht schwimmen“. Welche Rolle der Gemüseanbau und bewässerungsintensive Kulturen in der Region spielen, gilt es aber noch diskutieren. Für neue Produkte müsse es auch Absatzmärkte geben. Die „Billigimporte aus der Ukraine“ würden die Aufgabe schwieriger machen.
Trinkwasser – gute Versorgungslage, Sparpotenzial bei Gartenbewässerung
Das Trinkwasser in der Region stammt wesentlich aus der Mitterndorfer Senke, einem der größten Grundwasservorkommen Europas. Durch eine Leitung unter dem Neusiedler See wird das Wasser in den Seewinkel gepumpt. Helmut Herlicska vom Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland zeichnete ein aktuell positives Bild.
Das Grundwasser ist bei uns noch nicht übernutzt. Es gibt Klimaszenarien, wonach der Niederschlag in Zukunft im Seewinkel zunehmen soll. Die Frage ist, wie er sich verteilt. Fest steht: In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden rund 20 Prozent mehr Wasserressourcen gebraucht.
Helmut Herlicska, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland

Um das Dargebot – also das Verhältnis von vorhandenem Wasser sowie dem Bedarf – abzuschätzen, würden verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt. Dass ein höherer Wasserverbrauch prognostiziert wird, sei grundsätzlich kein Problem, so Herlicska. Relevant sei aber, wie die Spitzen und die Ausfallsbedarfsdeckung gemeistert werden können. Im Sommer steigt der Verbrauch mit Spitzen von 86.000 Kubikmeter fast auf das doppelte des Winterverbrauchs (maximal 43.000 Kubikmeter). Dafür brauche es redundante Versorgungssysteme, man sei dabei, sich mit anderen Wasseranbietern zu vernetzen.
Private Pools fallen aus Sicht des Wasserversorgers insofern weniger ins Problem, als diese noch vor den Spitzenbedarfen im Sommer gefüllt würden. Eine hochrelevante Größe sei jedoch die Gartenbewässerung, hier sieht Herlicska ein großes Problem. Der Wasserversorger könne mit Zahlen die Diskussionsgrundlage liefern, die Entscheidungen müssten aber von der Politik kommen. Unabhängig davon seien alle Bürger und Bürgerinnen gefragt, verantwortungsvoll zu agieren.
Abwassermanagement – hoher Investitionsbedarf
Im Nordburgenland gibt es zwölf Kläranlagen, die von verschiedenen Abwasserverbänden betrieben werden. Zwei dieser Verbände versickern die geklärten Abwässer in den Boden. Thomas Kögler vom Abwasserverband Eisenstadt-Eisbachtal konzentrierte sich bei seiner Keynote auf jene Verbände, die das Abwasser in den Neusiedler See einleiten.
Im Bezirk Neusiedl leiten die Gemeinden Gols, Mönchhof, Podersdorf und Jois das Abwasser in den See ein. Im Bezirk Eisenstadt-Umgebung und Mattersburg (liegt noch im Einzugsgebiet) sind das der Wasserverband Wulkatal, der Reinhaltungsverband Neusiedler See-Westufer sowie der Abwasserverband Eisenstadt-Eisbachtal. Gemeinsam entsorgen diese Verbände das Abwasser von rund 300.000 Einwohnerwerten (Vergleichswert für Schmutzfrachten pro Einwohner).
Eine Frage, die im Zusammenhang mit Abwässern immer wieder gestellt wird, beantwortete Kögler vorweg: Wie wirken sich die Abwässer von rund 15 Millionen Kubikmeter, die über diese Verbände in den See eingeleitet werden, auf den Wasserspiegel aus? Laut Kögler wird der Pegel des Neusiedler Sees im Jahr auf diese Weise um rund 47 Millimeter erhöht. Im Vergleich dazu: Die Verdunstung des Sees wurde im Forschungsprojekt REBEN mit rund 660 Millimeter pro Jahr angegeben (Zeitraum 1965-2012).
Wie wirkt sich die Einleitung von Abwässern auf den See aus? Der Eintrag zusätzlicher Nährstoffe, die den Chemismus des Sees nachteilig verändern, ist gesetzlich geregelt. Das betrifft etwa Substanzen wie Ammoniumstickstoff oder Nitratstickstoff, wie sie durch Auswaschungen von landwirtschaftlichen Flächen in Wasserläufe gelangen. Grundsätzlich bewege man sich mittlerweile deutlich unter den Grenzwerten.
Allerdings habe man bei Regen hohe Einträge, etwa beim Nitratstickstoff – das rühre auch daher, dass im Nordburgenland bis heute ein hoher Anteil an Mischwassersystemen besteht. Das heißt, dass Regenwasser in die Kanalsysteme abgeleitet und mit Schmutzwasser vermischt wird. Dadurch geht nicht nur eine wertvolle Ressource verloren, sondern entsteht auch erhöhter Aufwand in den Kläranlagen.

Probleme ortet Kögler bei Substanzen wie künstliche Süßstoffe, Kontrastmittel, Ewigkeitschemikalien (durch Gore Tex-Kleidung, aber auch durch Fastfood-Papierbecher oder auch Zahnseide). Diese Chemikalien können nicht vollständig abgebaut werden. Eine Lösung dafür sei eine vierte Reinigungsstufe, die in der Kläranlage in Frauenkirchen bereits getestet wurde. Mit dem Einsatz von Aktivkohle, durch Zonierung und Filtration hätte man ganz gute Ergebnisse erzielt.
Großen Investitionsbedarf gebe es auch durch eine Infrastruktur, die „in die Jahre gekommen ist“. Man verzeichnet deutliche Wassereintritte in die Rohrleitungen, wodurch enorme Mengen an Wasser in den Kläranlagen anfallen würden. Auch durch extreme Niederschlagsereignisse verzeichne man bereits heute massive Kostenerhöhungen. Durch Erosion werde viel Schlamm in die Kanalisation eingebracht, Tendenz steigend.
Klimawandelfolgenanpassung – Inspiration aus dem Weinviertel
Johannes Selinger ist Ansprechperson der KLAR! Region Mistelbach-Wolkersdorf im Weinviertel und erzählte in seiner Keynote über Wassermanagement im Zuge der Klimawandelfolgenanpassung. Die Entwicklungen und Probleme sind mit der Region Neusiedler See vergleichbar: Zunehmender Wohnbau sowie Wirtschafts- und Industrieparks verursachen mehr versiegelte Flächen. Der Druck auf den Naherholungsraum steigt. Die Region verzeichnet Ernteausfälle durch späten Frost und Trockenheit, was negative Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe habe.

Durch koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten (Öffentliche Stellen, BewohnerInnen, Wirtschaft, Landwirtschaft und Vereine) in Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsfragen und durch regelmäßiges Lernen voneinander sollen Potentiale besser ausgeschöpft werden.
Pflanzen im Klimastress – wie lässt sich gegensteuern?
Josef Eitzinger, Agrarmeteorologe und Univ.Prof. an der BOKU Wien, berichtete eindrücklich über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Landwirtschaft.
Trockenheit, Hitzestress, Spätfröste, eine Zunahme Hagel, eine Zunahme an Pflanzenschädlingen, Bodenerosion, Stickstoffauswaschungen – das sind nur einige der Folgen der Klimaerwärmung, auf die die Landwirtschaft und der Pflanzenbau Antworten braucht.
Josef Eitzinger, Agrarmeteorologe

Eitzinger führte aus, wie sich in Ostösterreich seit Jahrzehnten die Effekte der Klimaerwärmung auswirken. 2024 war nicht nur das wärmste Jahr der Messgeschichte, sondern macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich.
Es hat sich herausgestellt, dass wir in der Realität den Klimaprognosen zum Erwärmungstrend bereits heute 15 bis 20 Jahre voraus sind. Das bedeutet nicht nur höhere Temperturen und häufigere Extremereignisse, sondern auch eine Zunahme der Verdunstung. Im Vergleich zu vor 50 Jahren liegt die Verdunstung in der Region Neusiedler See um 25 Prozent höher.
Josef Eitzinger
Die Auswirkungen auf die Nutzpflanzen seien offensichtlich. Hätten diese etwa bis zum Jahr 2000 von den klimatischen Veränderungen profitiert, wäre seither ein Rückgang der Erträge zu verzeichnen. Ein größeres Problem als in diesen Rückgängen sieht Eitzinger aber in den Ertragsschwankungen. Zwar gebe es zwischendurch gute Jahre, allerdings stelle die mangelnde Planbarkeit und häufige Trockenjahre mit sehr niedrigen Erträgen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen.
Durch diese massive Veränderung der Anbaubedingungen sei eine Anpassung der Auswahl der Kulturen unerlässlich. Dadurch käme es auch zu Verschiebungen bei der Auswahl von C3-Pflanzen (etwa Getreide) und C4-Pflanzen (etwa Mais). Zwar hätten C4-Pflanzen haben einen effizienteren Umgang mit Wasser, allerdings spielen mehr Parameter als das Wasser eine Rolle. Bis Mitte des Jahrhunderts wird es zu einer Verdoppelung des CO2-Anteils in der Luft kommen. Bei C3-Pflanzen würde das eine Ertragssteigerung von 30 Prozent bedeuten, bei C4-Pflanzen hätte das allerdings keinen Effekt.
Auch bei Wintergetreide, der durch die trockenen, heißen Sommer zunehmend angebaut wird, komme es zu durch die steigenden Temperaturen Verschiebungen. Mais oder Weizen haben ein unterschiedliches Temperaturoptimum, was mit Verlusten beim Etragspotenzial verbunden ist.
Resümee: Wir erleben immer längere Vegetationsperioden mit allen Vor- und Nachteilen. Ganzjährige Kulturen ziehen mehr (Grund-)Wasser, die Verschiebung der Saisonalität bringt auch eine Verschiebung des Wasserbedarfs. Ertragsrisiken durch Extremereignisse und Hitzewellen werden die Landwirtschaft deutlich prägen. Neben der Auswahl der Kulturen, dem Spielraum im Pflanzenbau, einer möglichst präzisen Abstimmung mit den Verhältnissen werden flankierende Maßnahmen wie Windschutz eine essenzielle Rolle spielen.
Videoclips vom Workshop
Einführung „Neue Wege im Wassermanagement: Landwirtschaft – Kommunen – BürgerInnen“
Klima-Bedingungen im Weinbaugebiet Nordburgenland
Klimafitte Weingärten – Wissenswertes zum Weinbau im Nordburgenland
Klima(wandel) und Pflanzenproduktion – Anpassungsoptionen
Herausforderungen & Ziele der Wasserversorgung
Abwassermanagement im Burgenland
Trockenheit im Burgenland: Es geht um mehr als den Neusiedler See
Wir wollen die Wasserproblematik des Neusiedler Sees größer denken und diskutieren. Immerhin betrifft diese nicht nur den See, sondern die ganze Region inklusive Landwirtschaft, BewohnerInnen und Nationalpark.