Seit Anfang Oktober wird wieder Sediment aus Hafenanlagen und Bootskanälen sowie aus Badebuchten des Neusiedler Sees abgesaugt. Auch die Fahrrinnen der Fährbetriebe sollen die nächste Saison wieder freie Fahrt haben. Ziel ist es, bis Ende April 2025 rund 60.000 Kubikmeter Schlamm zu entfernen. Gearbeitet wird in zwölf der 14 Seegemeinden, für Apetlon und Weiden (wo die Zitzmannsdorfer Wiesen Teil des Nationalparks sind) würden noch Gespräche über geplante Maßnahmen nötig sein.
Fehlende Absetzbecken
Vor gut einem Jahr war noch von 100.000 Kubikmeter die Rede, die man jährlich über zehn Jahre lang aus den für Freizeitsportlern und den Tourismus neuralgischen Seebereichen absaugen wollte. Schon damals stellte sich die Frage, wo die großen Mengen an Feuchtschlamm gelagert werden sollten. Die Kapazitäten in den Absetzbecken waren und sind limitiert, entweder aufgrund ihrer derzeitigen Auslastung, der geringen Dimensionen oder weil es an größeren, freigebaggerten Flächen fehlt.
Damit erweist sich die mangelnde Verfügbarkeit von Sedimentationsbecken weiterhin als Flaschenhals für die punktuelle Entfernung des Schlamms.
Denn technisch, so Erich Gebhardt, GF der Seemanagement GmbH, wäre es kein Problem, mehr als die nun anvisierte Menge an Schlamm aus dem See zu holen und über Rohre in die Becken am Rand des Schilfgürtels zu transportieren. Dort braucht es allerdings seine Zeit, bis sich das Wasser vom festen Sediment trennt. Wenig überraschend heißt es nun, dass der Bau von vier bis fünf Becken geplant sei.
Je nach Konsistenz des Schlamms und der Wetterlagen dauert es ein halbes Jahr oder länger, bis sich das Wasser vom festen Material getrennt hat. Erst dann kann ein Becken geräumt werden.
Auch die Frage der Verwertung des Schlamms scheint bis heute nicht ganz geklärt zu sein. Das Material auf landwirtschaftliche Flächen aufzutragen, ist nur in sehr dünnen Schichten von wenigen Zentimetern möglich. Dabei wird der Schlamm auf den Feldern möglichst fein aufgesprüht. Andernfalls könnte es zu Verklumpungen und damit zu Problemen kommen, das Sediment in den Boden einzuarbeiten, wie sich an dieser Agrarfläche auf der Westseite des Neusiedler Sees zeigt.
Auf einzelnen Flächen kam es besonders bei den ersten Versuchen zu Problemen, da entweder zu viel Sediment ausgetragen oder dieses nicht sachgemäß aufgetragen wurde. Auch wenn das Einzelfälle sind, zeigt sich, wie wichtig es ist, das Material mit fachlicher Expertise auf landwirtschaftlichen Flächen zu verwerten. Ein aufschlussreicher Beitrag über den Einsatz der Sedimente zur Bodenrekultivierung findet sich auf der Website der Landwirtschaftskammer Burgenland.
Ob es genügend Agrarflächen gibt, um die vorhandenen Schlammmengen aus den Absetzbecken auf diese Weise zu verteilen und wohin der restliche Trockenschlamm schließlich transportiert wird, wäre interessant. Ist der Seeschlamm ein Fall für die Deponie oder gibt es andere Verwertungsmöglichkeiten?
Kosmetische Eingriffe
Laut Experten stellen die beseitigten Sedimente einen äußerst geringen Anteil am gesamten Schlammvorkommen im See dar. Laut einer Einschätzung, die sich auf die Untersuchung des Reben-Projekts bezieht, werde mit den derzeitigen Kapazitäten maximal jene Schlammmenge entfernt, die sich innerhalb eines Jahres neu bildet. Damit müsse man von “kosmetischen Eingriffen” ausgehen, da trotz des Aufwandes insgesamt das Sediment im See nicht verringert würde.
Allein im Seebecken befinden sich laut Berechnungen von Reben rund 55 Millionen Kubikmeter Schlamm. Der Anteil von 60.000 Kubikmeter entferntem Schlamm pro Jahr entspricht damit rund 0,001 Prozent der im offenen See vorhandenen Sedimente. Berücksichtigt man auch den Schlamm im Schilfgürtel, so steigert sich diese Menge auf zumindest 200 Millionen Kubikmeter.
Das zeigt, welche Dimension das Problem der Schlammentwicklung im See mittlerweile erreicht hat. Wie wir schon in unserem Beitrag im März ausgerechnet haben, würde allein die im offenen Seebecken vorhandene Menge reichen, um den gesamten Bezirk Eisenstadt (453 Quadratkilometer) mit einer zwölf Zentimeter hohen Schlammschicht zu bedecken. Neue Antworten sind also gefragt, wie mit dieser Herausforderung umzugehen ist.
Woher diese großen Mengen an Schlamm eigentlich kommen, was die Schlammproduktion antreibt, und welche Rolle der Schilfgürtel dabei spielt, lesen Sie in Kürze auf dieser Website.
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Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise
Herausforderungen. Perspektiven. Lösungen.
Ein ausführliches Kapitel des Buches widmet sich dem Thema Schlamm im Neusiedler See.