Pannonische Flora: ganz anders als im Rest von Europa
Gleich zu Beginn ihres Pflanzenführers wollen die Autoren einen besonderen Hinweis loswerden. So schreiben Manfred A. Fischer und Josef Fally an die „lieben Leserinnen und Leser“:
Jedes Jahr besuchen Tausende von Naturfreunden den Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, hauptsächlich um die überreiche einmalige Vogelwelt kennenzulernen. Viele staunen aber auch über die Fülle an Pflanzenarten dieses Gebietes. Die pannonische Flora ist es, die im Nordburgenland vorherrscht und die sich von der üblichen mitteleuropäischen stark unterscheidet, und es sind die Salzlacken mit ihrer ganz speziellen Pflanzenwelt, die es im übrigen Österreich und im übrigen Mitteleuropa nicht gibt.“
Man merkt sofort, auch im Pflanzenführer Burgenland nimmt die Vegetation der Region Neusiedler See eine besondere Stellung ein. – Salzpflanzen und andere pannonische Preziosen sind aber nicht nur im Nationalpark zu finden, wie die Autoren betonen, sondern genauso in den kleineren Naturschutzgebieten am Westufer des Sees, die ebenfalls interessante Destinationen für Naturtourismus sind. Hier konnten einige Trockenrasen erhalten werden, u.a. auf den Hügeln am Rand des Leithagebirges, im Ruster Hügelland, oder auch an den Steilrändern der Parndorfer Platte. Im Nordburgenland gibt es aber neben dem Lebensraum der Weingärten und Feuchtwiesen (z.B. Zitzmannsdorfer Wiesen) auch wertvolle Eichen-Hainbuchen-Wälder, die sowohl auf sauren (ohne Kalk) wie basischen (kalkhältigen) Böden wie im Leithagebirge wachsen.
Charakteristische Pflanzen im Kurzporträt
Im Burgenland gibt es rund 2.000 Arten von Gefäßpflanzen, die ureinheimisch sind – oder als Neophyten teils vor Jahrhunderten in die Region gebracht wurden. (Nur wenige dieser Pflanzen sind invasiv, also für die örtliche Flora problematisch.) Da man kaum 2.000 Kurzporträts in einen handlichen Pflanzenführer packen kann, wurde eine Auswahl getroffen. Auf rund 400 Seiten bietet sich der Pflanzenführer an, insbesondere schon im Frühling die Landschaft zu erkunden. – Immerhin 716 charakteristische Pflanzenarten haben es in die Publikation geschafft. Das Buch ist 2015 im Eigenverlag von Ko-Autor Josef Fally erschienen und möglicherweise noch verfügbar.
Wer kennt das Salz-Hasenohr?
Immerhin findet sich die Pflanzenwelt des Burgenlandes auch online. Die Website Burgenlandflora.at versteht sich als Fortsetzung des Standardwerks von Fischer und Fally. Hier lässt sich nach den Namen suchen, zum Beispiel das Salz-Hasenohr (Bupleurum tenuissimum). Das vom Naturschutzbund Burgenland betreute Infoportal ist eine ausgezeichnete Quelle für die Details: Das Salz-Hasenohr gehört zur Familie der Doldenblütler, ist eine kurzlebige Pflanze, die sehr detailliert zur Bestimmung beschrieben wird. Hüllblätter kürzer als die Doldenstrahlen, die Hüllchenblätter sind meist fein-gesägt. Das Exemplar wächst zehn bis 70 Zentimeter in die Höhe. Wo findet man dieses Salz-Hasenohr? Auf Salzwiesen, trockenen Grasplätzen, sandigen Stellen.

Strategien für extreme Standorte
Die Sodalacken des Seewinkels (derzeit läuft für die verbliebenen Lacken das EU-Projekt LIFE Pannonic Salt) sind extreme Standorte, auf denen nur wenige Pflanzen überleben. Sie sind absolute Spezialisten, deren Stoffkreislauf eine Strategie für den hohen Salzgehalt entwickelt hat. Die Salz-Aster hingegen verträgt trotz ihres Namens keine hohen Salzkonzentrationen. Das Salz, das sie mit dem Wasser aufnimmt, kann sie aber in Blättern einlagern, die sie zur Not abwirft, um übermäßige Salze loszuwerden. Zugleich kann die Salz-Aster aber auch in den Sodalacken überleben, wenn diese mit Wasser gefüllt sind. Möglich ist ihr das mithilfe von Luftkammern in ihren Wurzeln, Stängeln und Blättern. Mit längeren Überstauungen können sonst nur Sumpfpflanzen umgehen.

Zwerg-Mandel: wild nur noch im pannonischen Raum zu finden
Im Pflanzenführer finden sich auch Pflanzen, die man eher als Zierhölzer aus Gärten kennt: Zum Beispiel die Zwerg-Mandel. Durch den Einsatz von Herbiziden der Intensivlandwirtschaft bedenkenlos niedergespritzt und fast ausgerottet, wie Fischer/Fally schreiben, kommen die Zwergsträucher in der Natur nur noch im pannonischen Raum vor. Sie besiedeln Wald- und Gebüschränder sowie Ackerraine, wo vorhanden.

Auf den Trockenrasen des Welterbe Naturparks Neusiedler See – Leithagebirge am Westufer des Sees können jene Pflanzen wachsen, die konkurrenzschwach sind. Weil viele Wiesen heute intensiv gedüngt werden, sind diese Rückzugsflächen für die Biodiversität ganz besonders wichtig. Am Thenau-Riegel bei Breitenbrunn gibt es noch solche Hutweiden. Durch Pflegemaßnahmen wird die Verbuschung verhindert. Hier wachsen Heide-Ginster, Zwerg-Sonnenröschen der Furchen-Schwingel und die Erd-Segge (Carex humilis). Das Schutzgebiet wird durch kontrollierte Beweidung durch Rinder und Schafe erhalten.
Konkurrenzdruck am Steppenrasen
Der Pflanzenführer Burgenland ist übrigens sehr einfach nach Blütenfarben geordnet. Deshalb gesellen sich in diesem Kapitel hier auch zwei Pflanzen zueinander, von denen nur eine urheimisch, die beiden anderen aber ortsfremd sind. Der Frühlings-Adonis, ein Hahnenfußgewächs, besiedelt Halbtrockenrasen und pannonisch-pontisch-südsibirische Steppenrasen. Er ist stark giftig und im Burgenland gefährdet. Seine auffälligen Blüten sind unverkennbar.

Auf den Steppenrasen verbreiten sich mit großer Geschwindigkeit auch die Schmalblatt-Ölweiden. Sie wurden häufig in Windschutzstreifen gepflanzt und haben als trocken- und salztolerante Gehölze einen Standortvorteil. Dazu trägt auch die Klimaerwärmung bei. Im Seewinkel sind die Ölweiden als invasiv eingestuft – und sollten deshalb nicht mehr angepflanzt werden. Sie wurden ursprünglich aus den Weiten der zentralasiatischen Steppen eingeführt und bringen nun das sensible Ökosystem im Neusiedler See-Gebiet unter Druck. Immerhin eignen sie sich als Bienenweiden, und auch die Früchte sind essbar.
