Seewinkel: Die Rettung der Salzlacken in letzter Minute

Nach Jahrzehnten des Lackensterbens ist es nun soweit: Im Seewinkel beginnen die Renaturierungsmaßnahmen für den Erhalt der noch vorhandenen, äußerst wertvollen Sodalacken.

Im März 2023 konnte nach jahrelangen Vorbereitungen ein äußerst wichtiges EU-Förderungsprojekt in die Region Neusiedler See geholt werden. Im Rahmen von LIFE Pannonic Salt werden umfangreiche Schritte gesetzt, um die noch verbliebenen Sodalacken im Seewinkel vor einer Verlandung und dem Absterben zu bewahren.

Dafür steht ein Budget von rund 12 Millionen Euro zur Verfügung. Neun Millionen kommen von der EU, drei Millionen Euro vom Land Burgenland. Der Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel und das Hauptreferat Wasserwirtschaft werden das Projekt gemeinsam mit den Projektpartnern WWF, der TU Wien und der Biologischen Station in Illmitz realisieren. Im Rahmen von LIFE Pannonic Salt wird damit auch der erste Teil der Machbarkeitsstudie der Gruppe Wasser von GF Alexander Mechtler zur Durchfeuchtung des Seewinkels umgesetzt.

Bis 2028 soll dafür gesorgt werden, dass die Grundwasserspiegel rund um die Lacken wieder angehoben werden. Damit soll die lebenswichtige Verbindung zwischen den Lackenböden und dem Grundwasser wieder hergestellt werden. Über die Kapillarwirkung kann auf diese Weise Salz aus dem Untergrund in die Sodalacken nach oben gelangen. Verlieren die Lacken diese Verbindung, bleibt die Versorgung mit Salzen aus, und sie verlanden. So sind in den vergangenen 150 Jahren fast alle der in Europa äußerst seltenen Sodalacken im Seewinkel verschwunden.

Das sieht dann so aus: Die ehemals salzreiche Gansllacke (nördlich von St. Andrä/Zicksee) ist auf einer historischen Aufnahme von 1966 noch auf rund 70 Hektar vorhanden. Am Rand sind die Salzflächen erkennbar. Damals wurde der Lacke noch ein stabiler Zustand attestiert.

Die Gansllacke auf einer historischen Aufnahme von 1966. © by Birdlife / Michael Dvorak

Nur 20 Jahre später war von der Lacke kaum mehr etwas zu erkennen. Auf einer Aufnahme von 1994 ist die einstige Sodalacke schließlich in eine Wiese mit aufkeimender Verbuschung am Rand des Siedlungsgebiets degradiert. An den Rändern wurden Robinien und Ölweiden gepflanzt, beide sorgen als invasive Arten heute in der Region für massive ökologische Probleme. Die Aufnahmen stammen von einem Vortrag von Michael Dvorak (Birdlife), der die Entwicklung der Lacken seit Jahrzehnten dokumentiert.

Die Gansllacke 30 Jahre später: Der wertvolle Salzlebensraum ist ausgesüßt, Vegetation ist eingewandert und hat die auf Salzlebensräume spezialisierten Pflanzen verdrängt. Die Lacke ist heute eine Wiese. © by Birdlife / Michael Dvorak
Foto aus der Studie „Die Salzlacken des Seewinkels“. Im Jahr 2010 ist die Gansllacke vollständig unter einer Vegetationsdecke verschwunden. © by Autoren: Rudolf Krachler, Ingo Korner, Alexander Kirschner, Michael Dvorak u.a.

Für die Wissenschaft schien es damals fast unvorstellbar, dass eine wasser- und salzreiche Lacke wie diese innerhalb weniger Jahre zerstört werden kann. Über eine der ornithologisch bedeutsamsten Lacken hielt der Zoologe Antal Festetics 1970 noch fest, die Gansllacke habe eine „außerordentlich hohe Bedeutung für die brütenden und durchziehenden Limikolen“ und verglich sie mit der Illmitzer Zicklacke, die zwar noch besteht, aber mittlerweile auch unter Druck geraten ist.

Sodalacken – einfach verschwunden?

Vor rund 150 Jahren fanden sich diese salzhaltigen Gewässer noch auf einer beachtlichen Fläche von rund 3.600 Hektar. Heute sind davon noch 1300 Hektar übrig. Das entspricht einem Rückgang von rund 80 Prozent.

Mitte des 19. Jahrhunderts sind noch rund 140 Lacken dokumentiert. © by Vortrag Michael Dvorak
Der Bestand der Lacken hat sich bis heute auf unter 30 reduziert. Kaum eine davon ist intakt. © by Vortrag Michael Dvorak

Wesentlicher Treiber für die Zerstörung der Salzlacken war der Bau des Einser-Kanals 1910 zur Regulierung des Wasserstands des Neusiedler Sees. Der Kanal ermöglichte zugleich, die Drainagen im Seewinkel stärker auszubauen und das Wasser aus dem System abzuleiten. Dadurch – sowie durch eine steigende Grundwasserentnahme, flankiert vom voranschreitenden Klimawandel – wurde der Grundwasserspiegel seit den 1980er-Jahren zügig abgesenkt. Mit den Kanalisationen der Ortschaften verstärkte sich diese Tendenz. Zugleich konnte auf den so gewonnenen Flächen weitere Siedlungen entstehen.

Obwohl die Problematik schon lange bekannt ist, wurde dieser Entwicklung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht kaum Rechnung getragen. Zwar gibt es für die geschützten Flächen im Seewinkel (u.a. Natura 2000, Ramsar Feuchtgebiet, Nationalparkflächen) ein Gebot zum Erhalt oder zur Verbesserung des Zustandes. Dennoch hatte der Erhalt dieser Schutzgüter offenbar keine Priorität.

Bestens dokumentiert ist der Zustand der Sodalacken etwa auch in der 2012 erschienen Studie „Die Salzlacken des Seewinkels“, in der die Autoren Rudolf Krachler, Ingo Korner, Alexander Kirschner, Michael Dvorak u.a. eine Zustandsbeschreibung über die noch vorhandenen Lacken bieten.

Ein genauer Blick ist wichtig

Harald Grabenhofer, Abteilungsleiter Forschung im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, beschäftigt seit vielen Jahren die Degradierung der wertvollen Salzlebensräume. Als Hauptursache des Lackensterbens macht er den Rückgang der Grundwasserstände aus:

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Allerdings, erzählt Grabenhofer, würden trockengefallene Lackenbecken auch immer wieder für Missverständnisse sorgen. Nationalpark-Touristen glauben angesichts der staubtrockenen Flächen, auf denen sie bizarre Salzausblühungen beobachten, dass die Lacke tot sei. Tatsächlich ist es aber relativ normal, dass die Lacken im Sommer aufgrund von Verdunstung und geringen Niederschlägen oberflächlich austrocknen, so Grabenhofer.

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Entscheidend ist allerdings, zu welcher Jahreszeit eine Sodalacke ausgetrocknet ist. Ist das Oberflächenwasser im Sommer verdunstet, lässt das keinen Rückschluss auf den ökologischen Zustand zu. (Anders als etwa ortsfremde Pflanzen, die aufgrund von Trockenheit und einer Veränderung der Bodenbeschaffenheit in die Lackenböden einwandern. Im Bild unten die Kühbrunnlacke.)

Sind Lacken aber bereits im Frühling trockengefallen, ist die Sorge über eine Störung des ökologischen Systems berechtigt. Aufgrund abgesenkter Grundwasserstände geht der Kontakt zwischen Lackenboden und Grundwasser verloren. Damit wird nicht nur der darunterliegende Horizont undicht, sondern auch die Versorgung mit Salzen funktioniert nicht mehr.

Kühbrunnlacke in der Nähe von Apetlon. © by Gunnar Landsgesell
Halophyten wie Queller, Melden und Salzastern sind auf diese Extremlebensräume spezialisiert. © by Gunnar Landsgesell

In den vergangenen Trockenjahren litten auch die noch verbliebenen Sodalacken massiv durch die sinkenden Grundwasserspiegel. Michael Dvorak schätzt, dass ein weiteres Drittel der Lacken nahezu degradiert ist. Er fordert eine optimierte Datenerhebung, um das vorhandene Dargebot des Grundwassers präziser zu erfassen und nötigenfalls Maßnahmen einzuleiten. Auch die Kontrolle der Wasserentnahme müsse genauer erfolgen. Wie das umgesetzt werden kann, ist derzeit im Gespräch. Fest steht, dass die Sodalacken immer stärker unter Druck kommen.

Warum sind diese Salzlacken so wertvoll?

Kaum einen halben Meter tief, oft nur 20 bis 30 Zentimeter, sind diese Lacken Extremlebensräume, von denen man sich schwer vorstellen kann, dass hier Pflanzen oder Tiere leben können. Sie sind extrem salzhältig – so sehr, dass abgestorbenes organisches Material darin vollkommen zersetzt wird. Immerhin ist das der Grund, warum sie auch nach 20.000 Jahren noch existieren. – In dieser Zeit sind tiefe, glaziale Seen in den Alpenregionen längst verlandet.

Geradezu lebensfeindlich erscheinen auch die Temperaturen: Das Wasser kann sich in den Sommermonaten auf deutlich über 30 Grad erwärmen. Durch die Klimaerwärmung verdunstet das Wasser in dieser Zeit aber auch schneller. Deshalb trocknen die Lacken immer früher und immer länger aus. Warum die Sodalacken östlich des Neusiedler Sees dennoch so wertvoll sind, erklärt Harald Grabenhofer so:

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In den nächsten Jahren soll nun im Rahmen von LIFE Pannonic Salt auf die Übernutzung des Grundwassers und massive Störungen des ökologischen Gleichgewichts mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen reagiert werden.

Sodalacken retten – aber wie?

Die Landwirtschaft und eine ressourcenschonende Nutzung des Grundwassers spielt bei der Rehabilitation dieser Schutzgüter wie erwähnt eine wesentliche Rolle. Aber auch Maßnahmen wie der Einbau von Wehren in den Entwässerungskanälen des Seewinkels soll helfen, die geringen Niederschläge für eine Anreicherung des Grundwassers zu nutzen.

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In den kommenden Jahren sind im Rahmen von Pannonic Salt folgende Maßnahmen geplant:

  • Einbau von acht Wehren: Im Hauptkanal des Seewinkels sollen acht Sperren eingebaut werden, um das Wasser zur Versickerung und Grundwasseranreicherung in der Region zu halten. Einige der Wehranlagen werden neu errichtet, andere für die neuen Erfordernisse adaptiert.
  • Verbesserter Hochwasserschutz: In Siedlungsbereichen (etwa Apetlon) wird es zu einer relativ kleinräumigen Anhebung des Grundwassers (zugunsten der Lacken) bei gleichzeitiger Absenkung des Grundwassers kommen, um Kellervernässungen zu vermeiden. Dafür wird ein rasch reagierendes System von Wehren errichtet.
  • Wasserschonende Landwirtschaft: Mit der Landwirtschaft soll ein gemeinsames Modell der Wassernutzung entwickelt werden. Wie das aussehen kann, darüber gibt es bislang keine Informationen.
  • Pflegemaßnahmen: Die Sodalacken kommen nicht nur durch abgesenkte Grundwasserstände unter Druck, sondern auch durch die Migration ortsfremder Pflanzen. Schilf, invasive Pflanzen wie Robinie und Ölweide sollen mechanisch an den Lackenrändern entfernt werden.
  • Entfernung von Humus: Bei stark degradierten Lacken soll die Humusschicht, die sich auch aufgrund geringer Salzgehalte ausgebildet hat, abgetragen werden.
  • Intensiviertes Monitoring: Der ökologische Zustand der Ränder der Lacken soll geprüft und Maßnahmen zur Förderung halophiler, also salztoleranter Vegetation, verstärkt werden.

Einen kurzen, sehr guten Überblick zur gesamten Problematik der Sodalacken gab Harald Grabenhofer im Rahmen der F.O.S.T.E.R.-Auftaktveranstaltung im Weinwerk. Bei dieser Veranstaltungsreihe sollen Lösungen für die verschiedenen Nutzungsinteressen zum Thema Wasser gefunden werden.

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Für alle, die sich fragen, wer in derart unwirtlichen Extremlebensräumen existieren kann, sei abschließend ein Beispiel für einen wunderbaren Spezialisten genannt: den Feenkrebs (Branchinecta orientalis). Diese und andere Urzeitkrebse sind nicht nur in ihrer Art gefährdet, sondern dienen zugleich als Futter für Limikolen sowie alle Brut- oder Zugvögel, die auf die Sodalacken und deren Umgebung angewiesen sind.

Ein Bewohner intakter Sodalacken im Seewinkel ist der Feenkrebs (Branchinecta orientalis). Bernhard Kohler (WWF) nutzte die Biofeldtage 2024 von Pannatura, um über die geplante Rettung der Sodalacken zu informieren. © by Gunnar Landsgesell

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