Ungestörter Segelbetrieb am Neusiedler See – „Kein Grund für Entwarnung“

Der Fähr- und Bootsbetrieb ist am Neusiedler See uneingeschränkt möglich. Mitte Juli wird ein Wasserstand von 115,43 Meter über Adria verzeichnet. Was aber sagt die Messeinheit "Meter über Adria" über den Wasserstand aus?

Der Segelbetrieb läuft, das Geschäft mit den Booten erholt sich langsam, erzählte Ralf Roschek, Bootsbauer in Breitenbrunn, dem ORF Burgenland angesichts einer bislang positiv verlaufenden Saison. Vor 51 Jahren gründete der gebürtige Steirer seinen Betrieb am See. Nach den vergangenen Dürrejahren meint er:

Es ist fantastisch, in welcher Geschwindigkeit sich der See wieder erfangen hat. Die Schiffe können fahren, die Leute können am See Urlaub verbringen und es ist für die ganze Gegend, für die Region positiv.“

Ralf Roschek

Auch wenn die Bootsverkäufe noch nicht das Level von vor einigen Jahren erreicht hätten, so Roschek, sei die Stimmung doch wieder positiv. Tatsächlich liegt der Wasserstand Mitte Juli nur wenige Zentimeter unter dem langjährigen Mittel.

Allerdings dürfe man sich vom aktuellen Wasserstand nicht täuschen lassen, gibt der Tourismusentwickler Alois Lang in einem Kurier-Beitrag zu Bedenken. Denn der Bootsbetrieb am See könne kein Indikator für die Entwicklung der Wassersituation in der Region sein. Lang sieht vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung vielmehr eine „gefährliche Entwarnung“, die ein Gefühl von „weiter wie bisher“ vermittle. Das betreffe sowohl die Grundwasserentwicklung wie auch den Wasserstand des Sees.

Ein Beispiel: Vergleicht man beim Wasserportal Burgenland die Niederschläge Mitte 2024 mit jenen der Jahre 2014, 2004, 1994, 1984 und 1974, zeigt sich, dass trotz der heuer bislang höheren Regenmenge der Wasserstand im See nicht über den langjährigen Durchschnitt gestiegen ist. Das hat vor allem mit den steigenden Temperaturen und einer dadurch wesentlich höheren Verdunstung zu tun.

Top: Niederschlagsmenge 2024 an der Messstation in Neusiedl am See (in blau). © by Wasserportal Burgenland

Die vergleichsweise gute Entwicklung des heurigen Seewasserstands baut aber auch auf dem vergangenen Jahr auf. 2023 bewegten sich die Niederschläge mit knapp 800 Milliliter schon fast in Richtung der maximalen durchschnittlichen Niederschlagswerte. Das bedeutet konkret:

Trotz dieser relativ regenreichen eineinhalb Jahre befindet sich der Pegelstand des Neusiedler Sees knapp unter dem Durchschnitt. Das macht deutlich, dass es Handlungsbedarf gibt.

Schon die relativ hohe Niederschlagsmenge 2023 (grüne Linie) trug zum Wasserstand im Neusiedler See bei. © by Wasserportal Burgenland

Wasserstand: Messeinheit mit Tücken

Wer sich schon einmal gefragt hat, was es mit der Einheit „Meter über Adria“ (umgangssprachlich „Seehöhe“ genannt) auf sich hat, kann das auf Wikipedia nachlesen. Interessant an dieser Messeinheit ist, dass sie keinen exakten Aufschluss über die tatsächliche Wassertiefe im See zulässt. Der Neusiedler See ist nicht nur ein flacher Steppensee, sondern zeichnet sich auch durch mehrere Schichten Schlamm auf dem Seegrund aus. Je höher diese Sedimentschichten sind, umso geringer ist die Wasserhöhe im See bzw. das Volumen des Wassers im Seebecken.

Im Rahmen des Projekts GeNeSee wurde in den Jahren 2011 bis 2013 die Schlammmächtigkeit im offenen See gemessen und kartografiert. Durch möglichst genaue Messungen sollte geklärt werden, wieviel Schlamm sich tatsächlich am Seeboden befindet – und in welchen Bereichen (durch Verfrachtungen) höhere Schlammsedimentschichten bestehen.

Auf Basis dieser Daten lässt sich der effektive Wasserstand im See errechnen: Die durchschnittliche Höhe des festen Seebodens wurde mit 113,70 Meter über Adria ermittelt. Geht man vom aktuellen Pegel (Mitte Juli) von 115,43 Meter über Adria aus, ergibt das einen Wasserstand von 1,73 Meter – abzüglich der Schlammsedimentschicht, die im offenen Seebecken eine durchschnittlich Mächtigkeit von 0,39 Meter hat.

Das bedeutet, dass die (durchschnittliche) Wasserhöhe im See nicht 1,73 Meter, sondern real 1,34 Meter beträgt.

Tendenziell dürfte die reale Wasserhöhe noch etwas geringer sein, weil sich die Daten auf eine Erhebung von vor zehn Jahren beziehen und der Schlamm jährlich anwächst. Das hat auch Auswirkungen auf das Wasservolumen im Seebecken, insbesondere dann, wenn in einem niederschlagsreichen Jahr das Seerandwehr geöffnet werden würde. (Allerdings war das vor acht Jahren das letzte Mal der Fall.) Das bedeutet, zur besseren Einordnung der Dimensionen:

Die freie Wasserfläche des offenen Sees (also ohne Schilfgürtel) beträgt rund 140 Quadratkilometer. Bei einem angenommenen Wasserstand von 115,50 Meter über Adria beläuft sich das Wasservolumen auf 186 Millionen Kubikmeter – und das Schlammvolumen auf rund 50 Millionen Kubikmeter.

Resümee: Die Sedimente im See haben eine ausgesprochen wichtige ökologische Funktion im See. Menschliche Eingriffe und Klimawandel haben Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht und die Entwicklung der Schlammsedimente im See. Im Rahmen der Managementmaßnahmen in den Marinas und Seebäder kann nur ein Bruchteil des Schlamms an neuralgischen Punkten beseitigt werden. Die Frage ist: Wie problematisch ist die im offenen See vorhandene Menge an Schlammsedimenten? Und durch welches Bündel an Maßnahmen könnte das weitere Anwachsen des Schlamms eingedämmt werden?

2 Kommentare

  1. Sehr geehrte……..?
    Ich bin ein 80jähriger Segler, davon 60 Jahre am See und kann mich nur wundern wieviel Experten es gibt mit hunderten Meinungen.
    Ich bin nur ein einfacher Mann aber selbst mir leuchtet es ein wenn ich aus einem Topf (See)zu viel herausnehme(Klima) muss ich etwas nachfüllen,……
    Liebe Experten denkt nicht zu kompliziert!!!!
    füllt einfach aus der Donau nach.
    Mfg.rausek

    • Die von Ihnen völlig richtig angesprochene Problematik der Verdunstung ist statistisch belegt und verschärft sich durch die Klimaerwärmung weiter. Einen Überblick der Wasserbilanz – Verhältnis von Niederschlägen und Wassereintrag zur Verdunstung – für die Jahre 2009-2022 finden Sie hier: https://zukunftsee.at/a/verdunstung/
      Zwar laufen die Gespräche mit dem Land Niederösterreich. Ob bzw. wann es eine Zuleitung mit Fremdwasser geben wird, lässt sich bislang aber nicht sagen. Ebensowenig, ob die schließlich gefundene Lösung für den Freizeitsport den erhofften Erfolg bringen wird. Insofern ist es wichtig, parallel machbare Maßnahmen für den See bzw. grundsätzlich für das Halten von Wasser in der Region zu ergreifen.
      Maßnahmen ohne wissenschaftliche Begleitung, die u.a. die bereits jetzt enorme Schlammproduktion ankurbeln (etwa durch die Ausfällung von Calcium), wären jedenfalls nicht ratsam, sondern könnten zu neuen Problemen und Kosten führen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert