Seit dem Scheitern einer Zuleitung von Fremdwasser aus der Mosoni-Duna in den Seewinkel und den Neusiedler See werden Gespräche mit Niederösterreich geführt. Das Ziel: Eine Zuleitung aus der Donau nördlich des Sees. Im September wurde eine „Absichtserklärung“ unterzeichnet, wir haben berichtet.
Nun hat die Taskforce Wasser, die federführend beim Projekt der Wiedervernässung des Seewinkels sowie der geplanten Dotation des Neusiedler Sees ist, zwei neue Details bekanntgegeben. Laut Christian Sailer, Referatsleiter Wasserbau, soll das Wasser (ORF-Bericht) durch eine Rohrleitung in die Region transportiert werden. Beabsichtigt sei, wie schon bisher geplant, zwei Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den See einzuleiten.
Die Frage, wie das Donauwasser möglichst „schonend“ in den See gelangen kann, ist schon lange in Diskussion. Dazu Sailer: „Die Einleitung in den See erfolgt nicht punktuell, durch die Rohrleitung, sondern das Wasser wird über den Schilfgürtel gleichmäßig verteilt. Damit wollen wir eine ähnliche Wasserzufuhr erreichen, wie das im Wulka-Delta der Fall ist.“ Unklar ist noch, wie dieses System dezentraler Einleitungspunkte genau realisiert werden könnte.
Kalkhaltiges Donauwasser könnte Verschlammung vorantreiben
Aus limnologischer Sicht gibt es hinsichtlich einer Einleitung von Fremdwasser in den See mehrfach Bedenken. Zwar weist der Gewässerökologe Georg Wolfram in seinem Beitrag im Weißbuch „Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise“ darauf hin, dass es auch heute bereits eine Zuleitung von Fremdwasser in das Seebecken gibt. Denn durch die Zuleitung von Trinkwasser aus der Mitterndorfer Senke würde über die Kläranlagen gereinigtes Abwasser in die Wulka und damit in den See fließen.
Allerdings geht Wolfram von einer Wasserzuleitung von einem Kubikmeter Wasser im Jahresmittel aus.
Das würde – hochgerechnet auf das Jahr – der Wasserfracht des Wulka-Zuflusses (35 Millionen Kubikmeter pro Jahr) entsprechen. Diese Menge würde – im Fall niedriger Pegelstände – „nicht gleich zu einem Kollaps des Ökosystems“ führen. Denn, so Wolfram, auch der Zufluss durch die Wulka hätte kaum merkliche Auswirkungen auf den Chemismus des Sees. Zudem habe es historisch gesehen einen Zustrom von Wasser aus der Rabnitz im Süden sowie sporadische Hochwasser von Raab und Donau gegeben.
Derzeit sind allerdings zwei Kubikmeter Wasserzufuhr, also die doppelte Menge der jährlichen Wulkaeinträge – geplant. Wolfram plädiert auch für eine Risikoanalyse und Kosten-Nutzen-Abwägung, wenn er schreibt:
Zudem ist es auch denkbar, dass die Risikoanalyse zum Ergebnis käme, dass nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht die negativen Auswirkungen einer Dotation (Stichwort: Verschlammung) die positiven Effekte überwiegen würden; dass es besser wäre, vorübergehend Überschreitungen von Wasserqualitätsgrenzwerten bei sehr niedrigem Wasserstand in Kauf zu nehmen, anstatt potenzielle Schadstoffe aus der Donau in den See einzuleiten.
Das bedeutet im Klartext: Bislang weiterhin ungeklärt ist, wie verhindert werden kann, dass aus der Donau zugeführtes Wasser zu einer verstärkten Schlammbildung im See führt. Bereits jetzt sind die im See vorhandenen Mengen (und Zuwachsraten) von Sedimenten kaum zu managen. Wir haben mehrfach berichtet. Das Argument, dass der See bereits jetzt aus „Fremdwasser“ – und zwar zum Großteil aus Niederschlägen – gespeist wird, hält Wolfram für irreführend.
Die Wirkung von Donauwasser und Niederschlagswasser auf die chemische Zusammensetzung des Seewassers ist nicht vergleichbar, da Regenwasser den pH-Wert und den Salzgehalt des Sees weniger stark verändert als kalkreiches Flusswasser.
Unter dem Strich bleibt: Für eine Dotation mit kalkhaltigem Donauwasser, zumal mit der doppelten Menge des derzeitigen Wulkaeintrags, bräuchte es eine wissenschaftlich fundierte Risikoanalyse. Diese müsste auch eine Bewertung der Neobiota umfassen. Denn: Bislang gibt es keine Antworten darauf, wie eine Einschleppung ortsfremder Tiere und Pflanzen in den See verhindert werden kann.
Die Donau, die als mögliches Dotationsgewässer diskutiert wird, ist bekannt für die Vielzahl von Neobionten: von Weichtieren über Flohkrebse bis hin zu Fischen.
Zwar wäre es ungewiss, ob sich die Neuankömmlinge im See mit seinem speziellen Chemismus halten würden. Allerdings wäre das sensible Ökosystem für Experimente wohl wenig geeignet. Um das zu verhindern, wäre ein praktikabler Ansatz, Uferfiltrat aus der Donau für das Dotationswasser zu entnehmen. Damit könnte man das Risiko ausschließen, sich neue Probleme im Neusiedler See einzuhandeln.
Hier wären jedenfalls entsprechende technische Möglichkeiten zu prüfen (z. B. die Entnahme von Dotationswasser aus Uferfiltrat), um dieses Risiko auszuschließen.
Weitere Fragen zur Umsetzung offen
Zurück zum angekündigten Vorhaben, Donauwasser über eine Rohrleitung zum See zu transportieren. Im September wurde eine „Absichtserklärung“ zwischen Burgenland und Niederösterreich unterzeichnet. Danach soll Wasser zukünftig aus der Donau (NÖ) in die Region gebracht werden, wir haben berichtet. Bis Ende 2025 soll das Projekt laut Landesrat Heinrich Dorner soweit gediehen sein, um mit der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu starten. Für Experten klingt dieser Zeitplan ambitioniert.
Bislang gibt es viele offene Fragen, wie der Status quo des geplanten Projekts tatsächlich ist. Mögliche Entnahmepunkte des Donauwasser wurden bislang nicht öffentlich kommuniziert.
- Welche Streckenführung wird in Betracht gezogen?
- Wie ist die Strecke topographisch zu bewerten?
- Welche Dimension hat die angekündigte Rohrleitung?
- Gibt es dafür und für die durchgängige Trassierung von KFZ-tauglichen Begleitwegen (Wartung, Aufsicht, Reparatur) die benötigten Grundstücke bzw. Nutzungsverträge?
- Wie werden die Errichtung und der Betrieb vor dem Hintergrund der Querung von Natura 2000 Flächen beurteilt?
Nicht abzuschätzen bleibt, zu welchen Ergebnissen die UVP führt und wie lange die geplante Realisierung des Projekts dauert. Schätzungen von Experten halten eine Dauer von sechs bis zehn Jahren für möglich, bis Wasser aus der Donau in den See gelangen würde. Das zeigt, dass weiterhin alternative Möglichkeiten gefragt sind, auf die klimatisch bedingten Entwicklungen des Steppensees zu reagieren.
Machbarkeitsstudie als Basis
Bereits seit 2021 liegt mit der Machbarkeitsstudie, die die Gruppe Wasser im Auftrag des Landes erstellt hat, ein umfassender Lösungsansatz für die Grundwasserproblematik vor. Anhand einiger Auszüge aus der Studie skizziert Alexander Mechtler, wie der Seewinkel wieder durchfeuchtet werden könnte.
Für jene zeitlichen Phasen, in denen durch Niederschläge zu wenig Wasser in das Verteilungssystem eingebracht werden kann, sieht die Studie eine Zufuhr von Fremdwasser in den Seewinkel vor.
Aktueller Wasserstand des Neusiedler Sees
Aktuell nimmt der Wasserpegelstand des Neusiedler Sees trotz eines vergleichsweise niederschlagsreichen Jahres ab. Auffällig: Im Herbst erholt sich der Wasserpegel des Sees gemeinhin, wie auch die Kurve aus dem vergangenen Jahr (grün) zeigt. Im Herbst 2024 bewegt sich der Wasserstand bislang unterhalb des langjährigen Mittels (grau).
Fazit: Medienberichte mit Überschriften wie „Donauswasser kommt per Rohr in den Neusiedler See“ erregen Aufmerksamkeit, erzählen aber nur die halbe Wahrheit und sorgen für Missverständnisse
Derzeit verhandelt das Land Burgenland mit Niederösterreich über eine Dotation von Donauwasser, das für eine weitere Anreicherung der Grundwasserkörper bzw. eine landwirtschaftliche Nutzung verfügbar sein und die Sodalacken retten soll. Für eine Zuleitung in den See zur Anhebung des Wasserstandes bräuchte es jedenfalls eine wissenschaftlich fundierte Risikoanalyse. Die Donauwasserzuleitung in den Seewinkel ist jedenfalls ein komplexes Projekt, das noch Jahre dauern kann.
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