Ka Göd von der Musi? Kulturtouristische Effekte von Großveranstaltungen

Große Kulturveranstaltungen führen zu einer deutlichen Belebung der Region. Wie kann es gelingen, die Attraktivität für die Gäste sowie die touristische Wertschöpfung durch die Verknüpfung weiterer Angebote zu erhöhen? Ein Beitrag von Katharina Reise, Geschäftsführerin der Oper im Steinbruch St. Margarethen.

Wenn in den Sommermonaten an den Wochenenden Busse und Autos mit 11.000 Besuchern über die schmale Bundesstraße zu den beiden Großfestivals Oper im Steinbruch und Seefestspiele Mörbisch rollen, wird dies mit gemischten Gefühlen gesehen: Die Einheimischen beklagen den Stau und die Verkehrsbelästigung, die Gäste jedoch reisen mit großer Vorfreude auf ein kulturelles Ereignis an. Bringen diese Großveranstaltungen aber tatsächlich nur negative Begleiterscheinungen oder profitiert die Region von der Blechlawine? Warum ist der Ruf der Festspiele und die Identifikation mit denselben im Bundesland selbst schlechter als bei den Gästen? Das Image der Marke Salzburger Festspiele beispielsweise lässt die gesamte Region rund um Salzburg durch einen Identitätseffekt der seit mehr als 100 Jahren bestehenden Institution, gepaart mit einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor, davon profitieren. 95 Prozent der Gäste in Salzburgs Hauptstadt kommen wegen bzw. aufgrund eines Veranstaltungsbesuchs im Rahmen der Festspiele. (1) Werden diese Effekte – bei aller Vorsicht des Vergleichs – in Bezug auf die Oper im Steinbruch in der Region rund um den Neusiedler See unterschätzt und zu wenig wahrgenommen? Was bringt die Oper tatsächlich?

Kulturtourismus: Beachtliche Umwegrentabilität

Das künstlerische Niveau der Oper und der damit einhergehende Ruf weit über die Grenzen ist unbestritten. Sowohl die Qualität der Aufführungen als auch das Image werden durchwegs positiv wahr- genommen: „Mit dieser Produktion hat die Oper im Steinbruch St. Margarethen eine neue künstlerische Dimension erreicht.“ (2) Aber Kultur kann mehr, als schöne Bilder auf die Bühnen dieser Welt zu zaubern. Der vielfach strapazierte Terminus der Umwegrentabilität ist der Gradmesser für die wirtschaftliche Belebung einer Region. Und tatsächlich: Durch die Oper im Steinbruch St. Margarethen kommt es zur Belebung der gesamten Region rund um den Steinbruch – nicht zuletzt durch die Auslastung der Bettenkapazitäten (durch Mitwirkende und Gäste), die Konsumation bei Gewerbetreibenden in der Umgebung sowie die touristische Werbung, die auf zahlreichen Messen im In- und Ausland auch für die Region durchgeführt wird.

Gemeinsam mit den Seefestspielen Mörbisch bringen die Oper im Steinbruch St. Margarethen und die dort jeweils stattfindenden Zusatzveranstaltungen in zwei Monaten knapp 300.000 Besucher in die Region um den Neusiedler See.

Als die Oper im Steinbruch 2018 bekannt gab, dass in dieser Saison keine Opernproduktion gezeigt würde, bedeutete dies einen enormen wirtschaftlichen Schaden für die burgenländische Wirtschaft. Bis zu 50 Prozent Umsatzverlust in der Region Neusiedler See wurden damals befürchtet. (3) Die Besorgnis war nicht ganz unbegründet: Die wirtschaftliche Umwegrentabilität einer einzigen Produktion beträgt sowohl in St. Margarethen als auch in Mörbisch jeweils über 30 Millionen Euro, die dem Land und der gesamten Region zugutekommen. (4) Begünstigt sind vor allem Nächtigungsbetriebe, Gastronomie, Transportwirtschaft, Einzelhandel u.v.m. Auch hinsichtlich der Arbeitsplätze ist die Oper im Steinbruch St. Margarethen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region, beschäftigt sie doch jährlich direkt oder indirekt bis zu 600 Personen.

Burgenländische Firmen sind maßgeblich an der Erstellung und dem Aufbau des Bühnenbilds beteiligt, rund 50 Prozent der Statisten und sonstigen Mitarbeiter stammen aus der Region rund um St. Margarethen; unter ihnen viele Schüler und Studenten, die dadurch eine abwechslungs- reiche und interessante Sommerbeschäftigung erhalten. Die Oper im Steinbruch St. Margarethen leistet rund eine Million Euro an Abgaben pro Saison. Abgaben, die u. a. der Gemeinde und damit der Region selbst zugutekommen.

Nächtigungsbilanz: Fehlende Kapazitäten

Vielfach kritisiert wird seitens der Tourismusverantwortlichen die Tatsache, dass die Festspielgäste keine Nächtigungen lukrieren. Die Kritik ist jedoch nicht haltbar. 41 Prozent der Gäste der Oper im Steinbruch übernachten im Rahmen ihres Opernbesuchs in der Region und verbringen zwei Tage im Burgenland. (5) Ein identes Bild zeigt sich bei den Seefestspielen Mörbisch: Auch dort nächtigen 41 Prozent der Gäste in Mörbisch selbst oder in der Region. (6)

Warum ist die Anzahl der Nächtigungen jedoch nicht höher, wenn 40 Prozent des Publikums nicht aus dem Burgenland oder dem angrenzenden Niederösterreich bzw. Wien kommen und damit eigentlich eine Übernachtung naheliegt? Wo nächtigen die gut zehn Prozent ausländischer Gäste, die die beiden Großveranstaltungen in der Region rund um den Neusiedler See besuchen? (7) Eine Antwort auf diese Fragen könnte sein, dass die Bettenkapazitäten im Burgenland gering sind. Mit 24.292 Betten im gesamten Burgenland liegt Österreichs jüngstes Bundesland weit unter dem nationalen Durchschnitt. Von den 1.297 Betrieben, die Betten im Burgenland anbieten, sind 69 auf 1- bis 2-Sterne-Niveau, 169 in der Kategorie 3-Sterne und 55 im gehobenen 4- bis 5-Sterne-Segment. (8) Alle anderen Anbieter sind Privatquartiere, Apartments oder Bauernhöfe. Für B2B-Kunden, die rund 30 Prozent der Opernbesucher ausmachen, stellt dieses Bettenangebot eine große Herausforderung dar: Busgruppen, die im Schnitt 20 bis 30 Zimmer benötigen, werden in der Region kaum fündig, weichen auf Hotels hinter der Grenze in Ungarn oder nach Wien aus, wo das Angebot sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis wesentlich attraktiver sind. In diesem Zusammenhang spielen jedoch auch andere Faktoren eine wichtige Rolle: Lenk- und Ruhezeiten bei Buschauffeuren machen es erforderlich, dass rund um das Hotel eine attraktive Infrastruktur vorhanden ist, damit Sehenswürdigkeiten und andere Einrichtungen fußläufig erreichbar sind. Dies ist, wenn überhaupt, nur in den urbanen Gegenden – namentlich Eisenstadt und auch Rust – gegeben.

Vom Erstbesucher zum Wiederholungstäter

Wie jedoch schafft man es, aus dem Erstbesucher einen Wiederholungstäter zu machen? Hier sind einerseits die Kulturveranstalter gefordert, ein attraktives Angebot zu schaffen, andererseits ist auch ein ansprechendes Rahmenprogramm nötig, um Interessierte in der Region zu halten. 30 Prozent der Gäste der Oper im Steinbruch sind Erstbesucher, 70 Prozent haben bereits mehrere Produktionen im Steinbruch gesehen. Sie kommen aufgrund der einzigartigen Kulisse im Steinbruch, der interessanten Inszenierungen, der hohen künstlerischen Qualität sowie des Angebots im Steinbruch selbst hinsichtlich Gastronomie, Ambiente und Bequemlichkeit. (9)

Der Kulturgast selbst ist jedoch vielfach interessiert: Neben dem Vorstellungsbesuch stehen Wein und Kulinarik (56 Prozent), Natur (39 Prozent) sowie Radfahren und Wellness (je 32 Prozent) auf der To-do-Liste. (10)

Durch die Verknüpfung verschiedener Angebote kann für den Gast ein Mehrwert entstehen, der ihn erneut in die Region kommen lässt bzw. die Aufenthaltsdauer und damit die Anzahl der Nächtigungen steigern kann.

Damit könnte auch die Nächtigungsstatistik für die Zeit von Sonntag bis Donnerstag in den Beherbergungsbetrieben verbessert werden. Ein erneuter Blick nach Salzburg zeigt es deutlich: Festspielgäste bleiben besonders lange: 44 Prozent der Gäste bleiben zwischen vier und sieben Tagen in der Region, 25 Prozent immerhin ein bis drei Tage. Dabei profitiert nicht nur die Hauptstadt selbst, sondern auch das Umland. (11)

Dass es in dieser Hinsicht noch ein großes Entwicklungspotenzial gibt, zeigt auch die Tourismusstrategie des Burgenland Tourismus, wenn der Geschäftsführer des Burgenland Tourismus, Didi Tunkel, zusammenfasst: „Viele der im Masterplan als Starter-Projekte definierten Umsetzungen benötigen die Mitwirkung vieler Stakeholder im Land. Nur wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, werden wir es schaffen, das Maximum herauszuholen und unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten.“ (12) Dass die Vernetzung der Angebote kein frommer Wunsch bleibt, ist zu hoffen. Nach einer Post-COVID-Phase, in der die Urlaubsdestinationen der Österreicher vor allem im Inland lagen, sind nun Ferndestinationen wieder attraktiv.

An konkurrenzfähigen inländischen Angeboten in der Region mangelt es nicht. Eine intensive Bearbeitung der Märkte vor allem im D-A-CH-Raum, den Hauptmärkten auch der Oper im Steinbruch, ist jedoch dringend erforderlich.

Der pandemiebedingte Fokus auf den österreichischen Markt wird künftig nicht mehr ausreichen, die Gäste ins Burgenland zu bringen. Das gilt sowohl für die Kultur als auch für die übrigen Angebote der Region. Einzelevents allein können diesen Markt kaum durchdringen, eine Verschränkung mit den Tourismuseinrichtungen des Landes und die Vertretung durch dieselben ist unerlässlich. Ebenso unerlässlich ist aber auch eine aktuelle Erfassung der wirtschaftlichen Parameter: Alle zitierten Studien und Befragungen sind zumindest fünf Jahre alt und damit angesichts der neuen Entwicklungen post-COVID, verbunden mit Krisenherden und Inflation, kaum mehr valide. Gleichzeitig bilden sie jedoch die Legitimation für (politisches) Engagement im Land. Was in Salzburg eine Selbstverständlichkeit ist, muss hierzulande noch gerechtfertigt werden. Denn eines ist klar: Festspiele sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und sie sind identitätsstiftend – beides ist für das Image und das Selbstverständnis der Region rund um den Neusiedler See unerlässlich.

Katharina Reise, Kulturmanagerin und Kommunikationswissenschaftlerin, ist seit 2011 für die Opern- und Konzertformate im Steinbruch St. Margarethen und auf Schloss Esterházy verantwortlich.

Fussnoten:

Dieser Beitrag erschien in der Digitalen Publikation TOURISMUSREGION NEUSIEDLER SEE – Risiken und Chancen einer europäischen Destination (2024). Hg.: Christian Janisch, Alois Lang, Bibi Watzek. Erhältlich auf issuu.

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