Für eine nachhaltige Mobilitätstransformation

Seit Anfang der 2000er-Jahre gibt es Bemühungen, die Region Neusiedler See als sanft-mobile Tourismusregion zu positionieren. Wie steht es um das Mobilitätsangebot heute? Ein Beitrag von Roman Michalek, Verkehrsplaner.

Die Region Neusiedler See – Seewinkel besticht sowohl durch ihre hohe landschaftliche Attraktivi­tät (z. B. Nationalpark, Schilfgürtel) und ein einzigartiges touristisches Angebot (z. B. Therme Frauenkirchen, Family Park St. Margarethen, Stadtkerne Rust und Eisenstadt) als auch eine Vielzahl von Veranstaltungen mit hoher Besucher­frequenz (z. B. Festspiele in St. Margarethen und Mörbisch). Schon seit den frühen Nullerjahren des 21. Jahrhunderts gibt es Bestrebungen, die Region als sanft-mobile Tourismusregion zu positionieren. Ziel ist eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs sowohl bei der An- und Abreise als auch im Ausflugs- und Freizeitverkehr.

Trotz zahlreicher Initiativen, wie dem Ausbau der Bahninfrastruktur, der Verbesserung des Busangebots und einer Radverkehrsoffensive mit teilweise beachtlichen Erfolgen im All­tagsverkehr, gelang es bis dato nicht, in diesem „sensiblen Gebiet“ ein brauchbares touristisches Mobilitätsangebot abseits des PKW anzubieten.

Vielmehr schlägt sich die mediale Berichterstattung zur Verkehrslage in der Region oft in den Ver­kehrsmeldungen nieder, wenn an bestimmten Aktionstagen des Designer Outlets Parndorf kilo­meterlange Staus auf sämtlichen Zufahrtsstraßen inklusive der Ost-Autobahn gemeldet werden; oder wenn an Premierentagen in St. Margarethen oder Mörbisch die Wagenkolonnen bis zur Abfahrt der Schnellstraße in Eisenstadt zurückreichen. Grund dafür ist nicht zuletzt die häufig „auto­ zentrierte“ Prioritätensetzung sowohl in der Standortfestlegung als auch bei der Planung von betrieblichen Abläufen. Auch im Landes­entwicklungsprogramm Burgenland (LEP 2011) findet sich im Kapitel „Tourismus“ kein Hinweis darauf, dass bei der touristischen Angebots­planung ein nachhaltiges Mobilitätsangebot zu berücksichtigen ist. Im Gegensatz dazu ist eine Erweiterung bestehender Anlagen zumeist lediglich mit damit einhergehenden Parkplatzerweiterungen möglich, weil ein leistungsfähiges Busangebot meist aus Kapazitätsgründen nicht zu organisieren bzw. zu finanzieren ist.

Ziel sollte jedenfalls die Transformation des Verkehrssystems hin zu einem nachhaltigen touristischen Mobilitätsangebot sein.

Um sich diesem Ziel anzunähern, werden nachfolgend die Stärken und Schwächen des bestehenden Angebots abseits des motorisierten Individualverkehrs analysiert.

Öffentlicher Personennahverkehr: touristisch stärker integrieren

Das Angebot des Öffentlichen Personennahver­kehrs (ÖPNV) wurde in den vergangenen Jahren deutlich attraktiver gestaltet und ist mittlerweile auch abseits der klassischen Schüler- und Pendler­verbindungen wesentlich besser als sein Ruf. Das gilt vor allem für die erstklassige Erreichbarkeit des Stadtzentrums von Wien als wichtigem Bestand­ teil des kulturtouristischen Angebots der Region Neusiedler See. Aber auch die nahe gelegenen Zentren Bratislava und Sopron sind integrale Bestandteile des drei Länder umspannenden, grenzüberschreitenden ÖPNV-Systems. Grundsätzlich bildet das Bahnnetz von ÖBB, Raaberbahn und der Neusiedler Seebahn das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in der gesamten Region. Durch den sukzessiven Infrastrukturausbau (Elektrifizierung, technische Sicherung etc.) konnte beispielsweise die Qualität der Bahnverbindung zwischen Wien, Neusiedl am See und Eisenstadt sowohl hinsichtlich der Fahrzeit als auch des Fahrplanangebots (Frequenz, Abend- und Wochenendverbindungen, etc.) deutlich verbessert werden. Zudem stehen seit dem Fahrplanwechsel Anfang 2024 tagsüber umsteigefreie Verbindungen zwischen Eisenstadt und Wien über Wulkaprodersdorf zur Verfügung – auch wenn die Fahrzeit von über einer Stunde bislang nicht verkürzt wurde.

Dank der seit mehr als 20 Jahren funktionierenden Neusiedler See Card (jetzt Burgenland Card) können Nächtigungsgäste zahlreiche Bahn- und Buslinien gratis benützen. Das regionale Linienbusnetz dient sowohl dem Zubringerverkehr zu den Bahnlinien als auch der Erschließung der Gemeinden abseits der Bahnlinien. Auch die Erreichbarkeit von touristischen Angeboten wie z. B. des Family Parks St. Margarethen, der Altstadt von Rust oder des Designer Outlets Parndorf ist nunmehr in einer akzeptablen Qualität mit Bus und Bahn möglich. Allerdings reicht dieses Angebot bei weitem nicht dazu aus, um die umliegenden Orte wie Trausdorf oder Oslip merkbar vom Verkehr zu entlasten. Dahingehende Maßnahmen müssten umfassend sein und von allen Beteiligten (Veranstalter, Betreiber, Politik, Gemeinden, Tourismus) entwickelt und getragen werden.

Das regionale Verkehrsangebot wird punktuell durch zeitlich und räumlich eingeschränkte Mikro-ÖV-Angebote ergänzt: Einzelne Seebäder sind beispielsweise während der Saison an Wochen­ enden mittels Shuttlebussen erreichbar, bei Ver­anstaltungen mit Weinbezug (z. B. „Martiniloben“) werden von den Veranstaltern Zubringerdienste organisiert und die GMOA-Busse in den Gemeinden Purbach und Breitenbrunn gelten als Vorreiter für gemeindeinterne Mikro-ÖV-Angebote. Der Stadtbus Eisenstadt wurde 2016 als hochwertiges innerstädtisches Verkehrsmittel installiert und ist heute ein wichtiger Faktor für das Verkehrssystem der Landeshauptstadt.

Angebote oft Insellösungen

Trotz dieser Anstrengungen und Investitionen in Infrastruktur und Fahrbahnqualität wird das ÖV-Angebot vor allem im Freizeit- und Tourismusbereich nur sehr eingeschränkt in Anspruch genommen. Dies gilt sowohl für die An­- und Abreise von Nächtigungs- oder Tagesgästen als auch für die Freizeitmobilität der einheimischen Bevölkerung. Oft genannte Gründe dafür sind unter anderem, dass …

  • die Bahnhöfe (v. a. der PannoniaBahn zwischen Neusiedl am See und Eisenstadt) zum Teil weit außerhalb der Ortschaften liegen,
  • eine öffentliche An- und Abreise zu den Veranstaltungen im Steinbruch St. Margarethen bzw. zu den Seefestspielen in Mörbisch nicht möglich ist,
  • das ÖV-Angebot vor allem, was den Busverkehr betrifft, noch immer auf den Schüler- und Pendlerverkehr, nicht aber auf Tourismus und Freizeit ausgelegt ist,
  • das ÖV-Angebot trotz Verbesserungen am Abend sowie an Wochenenden nicht auf den Bedarf des regionalen Freizeit- und Tourismusangebots abgestimmt ist,
  • ein umfassendes touristisches Mobilitätsangebot (Erreichbarkeit von touristischen Zielen, Veranstaltungen etc.) fehlt.

Zudem stellen bestehende Angebote häufig Insellösungen dar, die entweder nur auf die Bedürfnisse des Alltagsverkehrs innerhalb einer Gemeinde zugeschnitten sind (z. B. GMOA-Busse) oder etwa als Shuttlebusse zwischen Wien bzw. Eisenstadt und dem Veranstaltungsort keine positive Ergänzung des Mobilitätsangebots für die lokale Bevölkerung bedeuten. Als Best­ Practice-Beispiele werden etwa Skibus-Angebote in Wintersportregionen hervorgehoben.

Radverkehr: Gut ausgebautes Routennetz

Der Radverkehr hat sich in den vergangenen Jahr­zehnten in der Region rund um den Neusiedler See zu einem der wichtigsten Tourismusfaktoren entwickelt. Ausgehend vom B10, dem Neusiedler See­Radweg rund um den See, der regelmäßig mit 5-Sterne-Bewertungen durch den ADFC (All­gemeiner Deutscher Fahrrad-Club) ausgezeichnet wird, wurde im Laufe der Jahre ein engmaschiges Netz an touristischen Radrouten angelegt. Diese verlaufen über Land hauptsächlich entlang gut ausgebauter Güterwege, wo sie neben dem Rad­verkehr ausschließlich dem landwirtschaftlichen Verkehr bzw. Anrainern vorbehalten sind. Innerorts sind die Streckenverläufe großteils so gewählt, dass neben touristischen Highlights vor allem das gastronomische Angebot in den Gemeinden angebunden ist, wobei nach Möglichkeit auch hier aus Gründen der Verkehrssicherheit stark befahrene Straßenabschnitte ausgespart werden.

Der B10, der Neusiedler SeeRadweg wird regelmäßig mit 5-Sterne-Bewertungen durch den ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) ausgezeichnet.

Insgesamt steht nunmehr ein historisch gewachsenes, gut ausgebautes regionales Radroutennetz zur Ver­fügung. Mit einem Teilabschnitt des Iron Curtain Trail entlang der burgenländisch-ungarischen Grenze verläuft auch das europäische Radfernwegenetz EuroVelo durch die Region Neusiedler See. Klein­räumig besteht zudem eine gute Erreichbarkeit vieler Seebäder entlang teilweise gut ausgebauter Radwege. Ergänzt wird dieses Angebot durch Fahrradfähren über den See, die eine zeitsparende Alternative bieten, vom Ost- zum Westufer (und umgekehrt) zu wechseln. Hervorzuheben ist die Verbindung Mörbisch–Illmitz; hier sind in der Hauptsaison im 30-Minuten-Takt Fahrradfähren unterwegs. Zudem besteht bei zahlreichen Fahrradhändlern rund um den See die Möglichkeit, sich aus einer großen Angebotspalette ein geeignetes Fahrrad auszuleihen.

Fahrrad als Verkehrsmittel positionieren

Im Zuge der Fokussierung auf den Radverkehr als Freizeit- und Tourismusfaktor wurde es verabsäumt, das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel zu positionieren, wovon letztlich auch der Tourismus profitieren könnte. Obwohl ein dichtes Netz an gut ausgebauten Radrouten die Schönheiten und die Angebotsvielfalt der Region erschließt, gibt es häufig keine direkten Verbindungen zwischen benachbarten Orten, die sowohl für die Beschäftigten in den Betrieben als auch für Gäste zur Verfügung stehen, die das Fahrrad auch im Urlaub als „Verkehrsmittel“ zum Einkaufen oder für Fahrten zu Veranstaltungen oder zum Heurigen verwenden wollen. Im Sinn einer grenzüberschreitenden Region wäre auch etwa eine Direktverbindung zwischen den beiden regionalen Zentren Eisenstadt und Sopron interessant. Um diese Schwachstellen auszumerzen, werden seitens des Landes für die Attraktivierung des Landesradnetzes zwischen 2022 und 2026 rund 25 Millionen Euro investiert.

Bereits 2007 wurden an zahlreichen Bahnhöfen in der Region die ersten nextbike Rad-Verleih­ stationen in Österreich installiert. Als ÖBB-Partner bietet nextbike Bahnreisenden im Ausflugsverkehr die Möglichkeit, problemlos vom Bahnhof kurze Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen, um nahe gelegene Ziele zu erreichen, ohne dabei in Konkurrenz zu den gewerblichen Fahrradverleihern zu treten. Leider fehlt für nextbike bis heute eine gesamtregionale Koordinationsstelle, die – vergleichbar mit Wien oder Niederösterreich – für die Stand­ortplanung und -betreuung, die Wartung sowie die Finanzierung und das Marketing des Projekts verantwortlich zeichnet. Das wäre insofern von Bedeutung, als der Fahrradtransport mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Region nur eingeschränkt in den Zügen der ÖBB möglich ist. Darüber hinausgehende Angebote wie Busse oder Taxis mit Fahrradanhängern stehen im Regelbetrieb kaum oder gar nicht zur Verfügung.

Resümee

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch die Bemühungen und Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur abseits des PKW gute Grundlagen für eine Transformation der Tourismus­mobilität geschaffen wurden. In Kombination mit nationalen und EU-­weiten Zielsetzungen (Klimaneutralität, Europäischer Green Deal etc.) wurden gute Rahmenbedingungen und damit einhergehende Finanzierungsmöglichkeiten für eine derartige Transformation ermöglicht. Für die Umsetzung sind jedoch auch die regionalen Stakeholder verantwortlich. Sie müssten sich in einem ersten Schritt zu einem regionalen Verkehrs­leitbild mit folgenden Zielsetzungen bekennen:

  • Die Region Neusiedler See verfügt über ein integriertes, auf die Bedürfnisse der Bewohner und Touristen abgestimmtes Verkehrs- und Mobilitätssystem.
  • Es wird eine Umstellung auf Fahrzeuge mit klimaschonenden, CO2-neutralen Antrieben sämtlicher Verkehrsarten im See, am See und rund um den See angestrebt.
  • Für Touristen und Tagesgäste gibt es attraktive Angebote für die autofreie An-­ und Abreise sowie den Aufenthalt ohne eigene PKWs.
  • Im Radverkehr steht neben einem hochwertigen Radwegenetz auch eine ansprechende begleitende Radverkehrsinfrastruktur zur Verfügung.
  • Stark befahrene Ortsdurchfahrten werden vom Durchzugsverkehr entlastet.
  • Die ÖV-Erreichbarkeit von Verkehrs-Hotspots wird verbessert.

Diese Ziele bilden die Grundlage für ein touristisches Verkehrsleitbild, dessen Umsetzung einen gesamtheitlichen, interdisziplinären Planungsprozess erfordert. Worauf warten wir?

Roman Michalek, Studium der Raumplanung an der TU-Wien, war Leiter der Mobilitätszentrale Burgenland und ist seit 2016 Geschäftsführer der MiRo Mobility GmbH, Ingenieurbüro für Verkehrs- und Raumplanung.

Dieser Beitrag erschien in der Digitalen Publikation TOURISMUSREGION NEUSIEDLER SEE – Risiken und Chancen einer europäischen Destination (2024). Hg.: Christian Janisch, Alois Lang, Bibi Watzek. Erhältlich auf issuu.

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