Neuer Anlauf: Donauwasser für die Region Neusiedler See

Mit Wasser aus der Donau in Niederösterreich sollen die Grundwasserspiegel im Seewinkel erhöht werden. Das ist aber nur eine von mehreren Maßnahme. Die Lösungen liegen großteils auf dem Tisch.

Die Länder Niederösterreich und Burgenland wollen eine „überregionale Wasserstrategie“ erarbeiten. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (NÖ) und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (B) haben sich mit einer Absichtserklärung dazu bekannt, eine gesamtheitliche Strategie zur Wasserbewirtschaftung für die Ostregion zu erstellen. Teil der Strategie sei es, den Ressourcenbedarf zu prüfen, Wasser in den Kreisläufen zu halten sowie Donauwasser in von Trockenheit betroffene Regionen zu leiten.

Was bedeutet diese „Absichtserklärung“?

Für die Region Neusiedler See sind das grundsätzlich keine neuen Pläne: Die Absicht, Donauwasser in den Seewinkel zu leiten, um die Grundwasserkörper zu entlasten (sowie zusätzlich den Neusiedler See zu dotieren), besteht seit Jahren. Nach dem Scheitern einer Zuleitung aus der Mosoni Duna in Ungarn soll nun Wasser aus der Donau in Niederösterreich zugeführt werden. Bis zur Umsetzung dieses großen Projekts mit vielen offenen Fragen von der Routenführung bis zu den Kosten dürfte es laut Experten noch Jahre dauern. Konkret wurde Landesrat Heinrich Dorner zumindest, was die Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft. Ziel sei es, in etwa einem Jahr die UVP zu starten. Das bedeutet, als Voraussetzung dafür müssten bis dahin auch die Streckenführung fixiert, etwaige Grundstücksverhandlungen abgeschlossen und etwa auch die Art des Wassertransports (Rohrleitungen, offene Kanäle, …) festgelegt sein. Ob das realistisch ist, hängt wohl von vielen Faktoren ab.

Umso wichtiger ist, dass bereits jetzt Maßnahmen begonnen oder fortgesetzt werden, um „jeden Tropfen Wasser“ in der Region zu halten: Bislang wurden bereits einige Wehre in den Kanälen im Seewinkel errichtet oder revitalisiert. Alle Vorschläge, die unabhängig von einer möglichen Donauwasser-Zuleitung zeitnahe realisiert werden können, sind relevant.

Sperre im Kanal südlich von Tadten im Seewinkel, April 2024. © by Gunnar Landsgesell

Ein Beispiel für solche Maßnahmen ist etwa das LIFE Projekt Pannonic Salt zur Rettung der Sodalacken, das für die nächsten Jahre die Revitalisierung verbliebener Salzlacken durch Grundwassererhöhungen und Kanalsperren vorsieht.

Dass der Punkt der Ressourcenschonung u. a. von Umweltanwalt Thomas Hansmann (NÖ) betont wurde, ist besonders relevant. Alle Prognosen und (Wasser-)Studien der vergangenen Jahre gehen aufgrund der Klimaerwärmung sowie anderer Faktoren künftig von einem steigenden Wasserbedarf aus. Bereits heute machen sich Nutzungskonflikte bemerkbar. Das zeigt sich unter anderem…

  • an den 2022 verhängten Beregnungsverboten in drei Seewinkel-Regionen für Sonnenblumen und Raps sowie an Entnahmebeschränkungen für die Landwirtschaft, die im März 2024 aufgehoben wurden;
  • an der Diskussion über die (bis August 2024) ausgesetzte Grundwassereinleitung in den Zicksees in St. Andrä, wo es zu Interessensabwägungen zwischen Landwirtschaft und Tourismus/Freizeit kommt;
  • an der öffentlichen Diskussion, ob die Landwirtschaft von bestimmten beregnungsintensiven Kulturen (Mais, Erdäpfel) auf andere Kulturen umstellen sollte;
  • oder auch an der emotional diskutierten Frage der Dotation des Neusiedler Sees mit Fremdwasser aus der Donau, wie sie vom Land geplant ist – oder, wie vom Naturschutz vorgeschlagen, der Prüfung anderer Möglichkeiten, Wasser in der Region zu halten, von denen auch das Ökosystem des Sees ohne naturschutzrechtliche Bedenken profitieren würde.

Die Herausforderungen durch regional erschöpfte Grundwasserreserven sind evident: Sie sind nicht nur durch den Klimawandel, sondern auch durch massive Eingriffe in die Wassersysteme (Versiegelung, Ableitung, Beregnung und festgelegte Konsensmengen der Entnahme, Flussregulierungen, etc.) bedingt. Für den Seewinkel, der sowohl von naturschutzrechtlichen Schutzgütern wie auch von Landwirtschaft geprägt ist, bedeutet das, dass die Einleitung von Fremdwasser zur Schonung und Erhöhung der Grundwasserspiegel nur als eine von mehreren Maßnahmen empfohlen wird.

Ein Ansatz, über den es grundsätzlich seit vielen Jahren Konsens vom Wasserbau über den Naturschutz bis zur Landwirtschaft gibt, ist jener, Wasser, das in der Region verfügbar wäre, durch gezielte Maßnahmen zu halten. Insbesondere für den Seewinkel ist es wichtig, dieses Wasser im Kreislauf zu halten, anstatt es weiter in die Donau abzuleiten.

Die Klimakrise führt nicht nur zu häufigeren und längeren Dürrephasen, sondern auch zu heftigeren Starkregen-Ereignissen und Überschwemmungen. Anstatt das Problem mit reinen Zu- und Ableitung lediglich zu verschieben, muss Wasser künftig länger in der Landschaft gehalten werden.

Bernhard Kohler, WWF-Biologe

Kohler verweist darauf, dass natürliche Wasserspeicher etwa durch Flächenversiegelung zerstört wurden und Wasser dadurch den Regionen schlicht verloren geht. Das habe das Abflussgeschehen völlig verändert. „Anstatt also fehlendes Wasser von anderswo zu holen, sollten wir einen nachhaltigen Umgang mit dem regionalen und lokalen Wasserdargebot anstreben”, so Kohler.

Tatsächlich fließt ein großer Teil der Niederschläge oberflächlich, durch regulierte Bäche und Flüsse, sowie in steigendem Ausmaß durch die Versiegelung von Flächen einfach ab. Steigende Temperaturen und längere Vegetationsperioden erhöhen die Verdunstung (Transpiration) zusätzlich.

Die Wasserexperten Roman Neunteufel und Verena Germann sprechen davon, dass in Österreich durchschnittlich sogar nur ein Drittel der Niederschläge ins Grundwasser versickert und damit zur Neubildung beitragen kann. Diese Rate ist von Region zu Region unterschiedlich. Das verlangt nach Studien, wie es gelingen kann, Niederschläge – zunehmend auch in Form von Starkregen – auch auf definierten Überschwemmungsflächen zu halten, um einen höheren Anteil davon in die Grundwasserkörper einsickern zu lassen.

Für die Region Neusiedler See ist damit ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig, um den skizzierten Herausforderungen der Klimaerwärmung zu begegnen.

Lösungen liegen auf dem Tisch

Eine Machbarkeitsstudie zur Erstellung eines Wasserbewirtschaftungsplans für den Seewinkel von Dezember 2021 skizziert, wie Fremdwasser – begleitend zu weiteren Maßnahmen – über ein System von Kanälen zur Durchfeuchtung des Seewinkels verteilt werden könnte. Damit ließen sich laut Studie mehrere Effekte erzielen: Die Versickerung von Wasser über Kanäle, um zur Grundwasseranreicherung beizutragen; die Direktentnahme von Wasser aus den Gräben zur Bewässerung angrenzender Agrarflächen, um den Grundwasserkörper zu schonen; sowie eine Reservoir-Funktion, um Wasser für Trockenperioden zu halten. Zudem sind drei Zuleitungen in den Neusiedler See geplant, um Verdunstungsverluste im See auszugleichen.

Machbarkeitsstudie zur Durchfeuchtung des Seewinkels und Aufspiegelung des Grundwassers: Hier noch von einer Dotation aus Ungarn skizziert. © by Gruppe Wasser

Zwar geht diese Studie noch von einer Dotation von der Mosoni Duna in Ungarn aus, zu der es voraussichtlich nicht mehr kommen wird. Die nunmehr angekündigte Wasserzufuhr aus dem Norden, aus der Donau in Niederösterreich, würde aber zu keinen grundsätzlichen Änderungen des Modells führen. Der Hochpunkt auf der Höhe von Frauenkirchen, von wo aus das Wasser in die definierten Gebiete verteilt werden soll, bliebe gleich.

Folgt man der Studie, wurden insbesondere bestehende Interessenskonflikte und zeitlich unterschiedliche Wasserbedarfe der einzelnen Sektoren berücksichtigt.

So heißt es in der Machbarkeitsstudie:

Interessen sind oft diametral entgegengesetzt; so will der Naturschutz zur nachhaltigen Erhaltung der Salzlacken einen schwankenden aber tendenziell höheren Grundwasserspiegel, die Gemeinden haben jedoch kein Interesse an zu hohen Wasserspiegellagen, da dies zu Kellervernässungen bis hin zu Überflutungen bei Regenereignissen führen kann.

Und weiter: „Die Landwirtschaft hat hohes Interesse an ausreichend Wasser in der Region, da der Bewässerungsbedarf aufgrund der klimatischen Verhältnisse überdurchschnittlich hoch und somit einer der Hauptverursacher von niedrigen Wasserständen durch die großen Entnahmen aus dem Grundwasser ist.“

Anzufügen wäre, dass auch der Wasserverbrauch der Gemeinden zu diskutieren ist.

Ziel der Studie ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der Seewinkel bei Rücksichtnahme auf alle bestehenden Interessen bewirtschaftet werden kann. Dabei wird neben der Landwirtschaft u. a. auch auf die Rettung der Salzlacken im Seewinkel durch eine Erhöhung der Grundwasserstände berücksichtigt, wie sie in den kommenden Jahren im Rahmen des LIFE Pannonic Salt Projekts erfolgt.

Sodalacke, deren Anbindung an das Grundwasser unterbrochen ist. Damit fehlt auch die lebenswichtige Salzversorgung. © by Machbarkeitsstudie Gruppe Wasser / Krachler R., 2012

Aufgrund dieser unterschiedlichen Interessen und des hohen Nutzungsdrucks in der Region (von Landwirtschaft über Naturschutzkategorien bis Tourismus) sollte die Studie eine gute Grundlage bieten, um sich auch im Rahmen einer öffentlichen Diskussion ein Bild zu machen.

Immerhin wird in der Studie ganz klar formuliert, was das wichtigste Ziel der Wasserwirtschaft sein muss – ein Ziel, das im Grund alle in der Region betrifft:

Hauptziel der Wasserwirtschaft muss es sein, mit der Ressource Wasser so sparsam wie möglich umzugehen, was bedeutet, dass es das vorrangige Ziel sein muss, jeden Tropfen Wasser so lange wie möglich in der Region zu halten. Die gängige Praxis der letzten Jahrzehnte, überschüssiges Wasser so schnell wie möglich über das Kanalsystem und den Hanságkanal abzuleiten, hat dazu geführt, dass in den folgenden trockeneren Perioden immer Wasserknappheit produziert oder verstärkt wurde.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird neben anderen Schritten auch ein Reservoir-System angedacht, um mithilfe von Staubauwerken Wasser für Zeiten der Trockenheit zu halten. Für jene Bereiche im Seewinkel, für die diese Strategie nicht ausreicht, um Phasen der Trockenheit zu vermeiden, soll die Dotation mit Donauwasser zum Tragen kommen. Die Studie legt also nahe, dass es ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen braucht, die zeitlich und örtlich sehr unterschiedlich abzustimmen sind.


DEMNÄCHST: Welche Maßnahmen lassen sich in näherer Zukunft – auch ohne Fremdwasserzufuhr – realisieren? Welche Vorschläge gibt es für weitere Schritte, um jeden Tropfen Wasser in der Region zu halten? Darauf wollen wir in Kürze in einem nächsten Beitrag eingehen.

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