Klimatische Schwankungen und Trockenphasen: Pendeln zwischen Extremen

Die Klimaerwärmung ist in vollem Gange. In Österreich ist die Temperatur bereits jetzt um zwei Grad angestiegen. Zwei Grad plus in der Jahresmitteltemperatur bedeuten eine gravierende Änderung des Klimas im Burgenland. Das bedeutet, dass wir immer öfter Dinge erleben, die es so noch nie zuvor gegeben hat.

Ein Beitrag von Marcus Wadsak

Seit gut zehn Jahren wohne ich nun schon in der Nähe des Neusiedler Sees. Bevor ich hier beginne über Veränderungen und Schwankungen zu schreiben, lassen Sie mich zunächst versuchen, das Wetter in dieser Region zu beschreiben. Auch wenn ich meine Sicht darüber darlege, so halte ich mich strikt an Daten, die von der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) stammen, und natürlich an Fakten.

Das Wetter in der Region Neusiedler See

Wenn Sie nach meinem Gefühl fragen, so würde ich sagen, dass die Region Neusiedler See das perfekte Wetter zu bieten hat. Warum? Dazu müssen wir uns zunächst einmal folgende Frage stellen: Was ist eigentlich das perfekte Wetter? Ich habe diese Frage schon oft gestellt und dabei höchst unterschiedliche Antworten erhalten. Für Sonnenanbeter ist ein wolkenloser Himmel wohl das höchste der Gefühle. Wer Sonnenschein von früh bis spät sucht, ist im Burgenland gut aufgehoben. Das Burgenland gehört zu den sonnenreichsten Regionen in Österreich. So sind im Nordburgenland, etwa rund um Bruckneudorf, mehr als 2000 Stunden Sonnenschein im Jahr zu erwarten. Rund um den Neusiedler See scheint die Sonne durchschnittlich 1900 Stunden im Jahr. Die meisten davon, nämlich rund 250, kann man im Juli genießen.

Wer es gerne warm, oder noch besser heiß hat, ist hier ebenfalls genau richtig. Das Burgenland ist eines von zwei Bundesländern, in denen schon einmal 40 Grad und mehr gemessen wurden. Das war am 8. August 2013, als zum ersten Mal seit Messbeginn in Österreich 40 Grad und mehr erreicht wurden. Dieser Wert wurde damals an drei von mehr als 250 Messstationen in ganz Österreich überschritten. 40 Grad genau sind es im südburgenländischen Güssing gewesen, 40,3 in Neusiedl am See. Der absolute Österreich-Rekord ging ganz knapp an Niederösterreich, wo es in Bad Deutsch Altenburg 40,5 Grad waren. Aufgrund des Klimawandels und der globalen Erwärmung denke ich, dass wir die 40 Grad in den nächsten Jahren durchaus öfter erleben werden, dazu aber später mehr. Bezüglich der Hitze müssen es aber nicht immer Rekorde sein. Vielen reichen ja schon 25 Grad. Tage mit 25 Grad oder mehr werden meteorologisch „Sommertage“ genannt. Davon gibt es in Eisenstadt durchschnittlich 60 pro Jahr, am See sind es zehn Prozent mehr, in Neusiedl sogar 66 heiße Tage, das sind Tage mit 30 Grad und mehr, die gibt es im Burgenland rund 15 mal im Jahr. Für alle, die sich den Wind als zügigen Begleiter für Freizeitaktivitäten wie Segeln, Surfen und Kiten wünschen, bietet der Neusiedler See ideale Verhältnisse. Denn es gibt ausreichend viele windige Tage am See. An durchschnittlich 18 Tagen im Jahr dürfen Wassersportler sogar mit Windstärke 6 oder mehr rechnen. Das sind zugleich jene Tage, wo man auf die aktuelle Sturmwarnung rund um den See achten und diese auch ernst nehmen sollte. Der Wind ist übrigens auch extrem wichtig für die Stromerzeugung im Burgenland und hilft mit, stromautark zu sein.

Temperaturentwicklung seit 1948 © Marcus Wadsak
Temperaturentwicklung seit 1948. Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur in Neusiedl am See von 9,5 auf 11,3 Grad Celsius.

Trotz der Sonne, Hitze und des Windes im Sommer kann es im Burgenland im Winter zwar schön, aber auch kalt sein. Temperaturen unter null sind keine Seltenheit, selbst strenger Frost ist im Burgenland nicht unbekannt. In Kleinzicken etwa wurden im Jänner schon einmal unter minus 26 Grad gemessen. Auch am Neusiedler See, ja sogar in Eisenstadt kann das Thermometer unter minus 20 Grad anzeigen. Und das vielleicht öfter, als man glauben würde. In der Hauptstadt fällt die Temperatur an knapp 80 Tagen im Jahr unter null Grad, an 22 Tagen davon bleibt es auch tagsüber frostig. Ein Umstand, der den Neusiedler See fast jedes Jahr zumindest für ein paar Tage zu einem der schönsten Eislaufplätze Österreichs macht.

Was den Regen betrifft, zählt das Burgenland zu den niederschlagsärmeren Regionen Österreichs. Der meiste Regen fällt im Westen des Landes. Entlang der Alpen, für den Osten, bleibt bei klassischen Fronten meist nur deutlich weniger davon übrig. Das war bislang jedoch immer noch ausreichend, um den burgenländischen Wein so gut gedeihen zu lassen, auch wenn sich der Weinbau durch die klimatischen Veränderungen auf neue Herausforderungen einstellen muss. Bei den Regenmengen gibt es im Burgenland doch recht beachtliche Unterschiede. So ist es im Nordburgenland deutlich trockener als im Südburgenland. Und fällt der Niederschlag einmal in fester Form, also als Schnee, kann es selbst um den Neusiedler See sehr winterlich werden. So sind in Neusiedl schon einmal 40 Zentimeter Schnee gelegen, was freilich eine Ausnahme war. Aber auch bei weniger Schnee kann das in Kombination mit Wind und Schneeverwehungen zum Verkehrsproblem werden. Dann muss die B 50, die in Nord-Süd-Richtung durch das Burgenland führt, mühsam freigeschaufelt werden.

Abschließend noch ein Blick auf die Gewitterkarte: Die größte Wahrscheinlichkeit für Gewitter gibt es in  den südlichen Teilen des Burgenlandes, hier blitzt und donnert es durchschnittlich an mehr als 30 Tagen im Jahr. In Richtung Eisenstadt oder Neusiedler See bilden sich hingegen nur an knapp 20 Tagen Gewitter.

Das Wetter im Burgenland ist, über das Jahr gesehen, also sehr abwechslungsreich und auch sehr unterschiedlich. Eines wird dabei klar: Wie auch immer man perfektes Wetter definiert, im Burgenland wird man es finden.

Das Wetter am Neusiedler See unterscheidet sich deutlich von jenem im restlichen Österreich. Die Temperatur ist höher, die Niederschlagsmengen sind geringer.

Wie entsteht dieses „andere“ Wetter im Osten Österreichs?

Um das klarer zu sehen und zu verstehen, hilft ein Blick auf eine Landkarte oder in den Atlas mit Blick über die Grenzen Österreichs hinaus. Durch die Lage im Zentrum Europas treffen genau in Österreich drei unterschiedliche Klimazonen aufeinander. Von Westen her reicht das atlantische und alpine Klima weit hinein nach Österreich. Es zeichnet sich durch deutlich mehr Niederschlag aus – im Sommer in Form von Regen, im Winter meist als Schnee, den atlantische Fronten bringen. Da aber die Alpen im Osten Österreichs ihr Ende finden, wird der atlantische Einfluss auf unser Wetter und unser Klima immer geringer.

Die Wolken regnen sich am Weg nach Osten an den Alpen aus, für das Burgenland und speziell den Neusieder See bleibt da meistens nicht mehr viel oder gar nichts übrig.

Von Süden her spüren wir den Einfluss des mediterranen Klimas. In Kärnten, der südlichen Steiermark und im Südburgenland sogar sehr stark, in abgeschwächter Form auch bis zu den südlichen Teilen des Neusiedler Sees.

Im Großen und Ganzen werden der See und die Region rund um den See allerdings vom pannonischen Klima beeinflusst. Das pannonische Klima gilt als typisches kontinentales Klima der gemäßigten Zone, dazu gehört das warme sowie auch trockene Klima. Dieses Klima ist auch maßgeblich verantwortlich für die spezielle pannonische Flora.

Die Kombination aus dem pannonischen Klima und dem Neusieder See bietet hier einer großen Anzahl von Pflanzen und Tieren einen unvergleichlichen Lebensraum. Neben dem See mit seinem riesigen Schilfgürtel wird das Landschaftsbild vor allem durch die seichten, salzhaltigen Gewässer des Seewinkels geprägt. Diese sogenannten „Lacken“ sind von Salzsümpfen, Salzsteppen, Trockenrasen und stellenweise auch Niedermooren umgeben. Der Schilfgürtel des Neusieder Sees ist eines der größten Schilfgebiete Europas und beherbergt eine Fülle von Vogelarten, die eng an die besonderen Gegebenheiten angepasst sind. Als echter Steppensee, übrigens der am westlichsten gelegene in Europa, unterliegt er starken Wasserstandsschwankungen, die zwischen völliger Austrocknung und tiefer Überflutung pendeln. Da der See ursprünglich abflusslos war, ist er leicht salzhaltig. Ein weiteres, besonderes Kennzeichen des Sees ist seine Trübe: Salzgehalt, geringe Wassertiefe und die ständige Windbewegung sorgen dafür, dass winzige Mineralteilchen in Schwebe bleiben und das an sich saubere Wasser des Sees undurchsichtig bleibt. Diese besondere Flora und Fauna gibt es hier, wie den Neusiedler See selbst, seit 13.000 Jahren, also seit dem Ende der letzten Eiszeit.

Der Treibhauseffekt – und wie wir ihn verstärken

Soweit klingt das alles gut und schön. Vor allem auch, weil das Klima seit der letzten Eiszeit auf der gesamten Erde und auch in Österreich, abgesehen von kleineren Schwankungen, über 10.000 Jahre lang sehr stabil gewesen ist. Regionale Veränderungen haben sich bislang in Grenzen gehalten. Auch im Burgenland konnte man sich darauf verlassen, dass sich das Wetter von einem auf das nächste Jahr auf sehr ähnliche Weise wiederholen wird.

Das schaut heute gänzlich anders aus, wir befinden uns in einem sehr raschen Klimawandel, den wir Menschen verursachen. Durch den Ausstoß von Treibhausgasen verstärken wir den natürlichen Treibhauseffekt. Dieser Treibhauseffekt wurde bereits im Jahr 1824 vom französischen Mathematiker und Physiker Joseph Fourier entdeckt und 1896 vom schwedischen Physiker und Chemiker Svante Arrhenius genauer beschrieben.

Von der Sonne kommt kurzwellige Strahlung auf die Erde. Es handelt sich hierbei um elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich, wir können die Sonnenstrahlen sehen. Diese kurzwellige Strahlung hat den Riesenvorteil, dass sie ungehindert durch die Atmosphäre dringt und fast vollständig an der Erdoberfläche ankommt. Hier wird sie in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt, diese Strahlen befinden sich im infraroten Wellenbereich und sind für uns Menschen nicht sichtbar. Die Erde wandelt also die kurzwellige Sonnenstrahlung in langwellige Wärmestrahlung um und schickt diese zurück nach oben. Die langwellige Wärmestrahlung findet aber nicht so einfach durch die Atmosphäre heraus wie die Sonnenstrahlung hinein. Sie kann nur teilweise passieren und durch die Atmosphäre dringen. Ein Teil wird zurückgeworfen, und das erwärmt die Erde. Das ist der Treibhauseffekt. Den gab es schon immer, und er ist notwendig und gut: ohne Treibhauseffekt hätte es auf unserer Erde eine mittlere Temperatur von minus 18 Grad. Durch den Treibhauseffekt beträgt die globale Mitteltemperatur hingegen rund plus 15 Grad. Der Treibhauseffekt macht also das Leben auf der Erde erst möglich, er sorgt für eine Erwärmung um 33 Grad.

Was die langwellige Wärmestrahlung daran hindert, so einfach durch die Atmosphäre auszutreten wie die Sonnenstrahlung hereinkommt, sind die sogenannten Treibhausgase. Zu diesen Treibhausgasen zählen Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Methan, Lachgas und Ozon.

Niedrigwasserstand im Neusiedler See im Sommer 2022
Niedrigwasserstand im Neusiedler See im Sommer 2022. In extremen Jahren sinkt der Wasserstand um bis zu einem halben Meter. Die natürliche Schwankungsbreite des Sees wird durch anthropogene Eingriffe und den Klimawandel stark beeinflusst. © Alois Lang

Der Treibhauseffekt ist wichtig, ohne ihn könnten wir gar nicht leben. Aber wir verstärken diesen Treibhauseffekt. Vor allem fügen wir der Atmosphäre Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) zu. Dies geschieht durch unterschiedliche Tätigkeiten wie etwa die Verbrennung fossiler Treibstoffe, den Reisanbau, das Auftauen von Permafrostböden, auch durch Rinderzucht verstärken wir diesen Treibhauseffekt, und das immer mehr. Dieser vom Menschen verursachte Treibhauseffekt wird „anthropogener Treibauseffekt“ genannt. Der aktuelle Effekt setzt sich also durch einen „natürlichen“ Anteil und einen „menschengemachten“ oder eben anthropogenen Anteil zusammen.

Kohlendioxid entsteht zum Beispiel bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Und das machen wir tagtäglich in großen Mengen und auf viele Arten. Wir erzeugen CO2, wenn wir mit unseren Benzin- oder Dieselautos fahren, teilweise auch beim Heizen. CO2 entsteht auch bei einigen Arten der Stromerzeugung sowie in der Industrie.

Ist das Kohlendioxid einmal da, dann bleibt es auch. CO2 hat eine Verweildauer von rund 120 Jahren in der Atmosphäre. Das bedeutet, selbst wenn wir unsere CO2-Produktion drosseln oder sogar stoppen, bleibt uns das vorhandene Gas noch ziemlich lange erhalten.

Die Menge an CO2, die wir pro Jahr erzeugen, ist übrigens gigantisch. Es sind über 30 Gigatonnen. Das ist eine Zahl, bei der hinter der Drei noch zehnmal die Null folgt.

Der Klimawandel ist im Burgenland angekommen

Durch den menschengemachten Klimawandel hat sich unsere Erde, oder besser gesagt, unsere Atmosphäre erwärmt. Diese Erwärmung ist messbar und deutlich, sie beträgt im globalen Mittel bereits gut ein Grad. Der Klimawandel ist aber längst auch in Österreich und im Burgenland angekommen und nicht zu übersehen. Wir sind doppelt so stark von der Erwärmung betroffen wie im globalen Mittel. In Österreich ist die Temperatur bereits um zwei Grad angestiegen.

Mittlere Jahrestemperatur in °C

Halbturn Temperaturanstieg © Herbert Brettl
Steiler Temperaturanstieg. Die Messstelle Halbturn zeigt seit zwei Jahrzehnten Rekordwerte. © Herbert Brettl
Ungarisch Altenburg Temperaturanstieg © Herbert Brettl
Bis in die 1950er-Jahre war der Anstieg der mittleren Jahrestemperatur relativ flach. © Herbert Brettl

Zwei Grad plus in der Jahresmitteltemperatur bedeuten bereits eine gravierende Änderung des Klimas im Burgenland. Zwei Grad mehr oder weniger spüren wir beim Wetter nicht. Ob es an einem Sommertag 31 oder 33 Grad hat, macht für uns kaum einen Unterschied. Eine Änderung der Jahrestemperatur um zwei Grad führt hingegen dazu, dass wir immer öfter Dinge erleben, die es so noch nie zuvor gegeben hat. Dazu gehört, dass wir 2013 eben zum ersten Mal im Burgenland 40 Grad und mehr gemessen haben, oder eine Zunahme heißer Tage und warmer Nächte erleben. Blicken wir etwa zurück in das Jahr 2018 und betrachten die Zahl der Sommertage, also jener Tage – unabhängig von der tatsächlichen Jahreszeit – mit 25 Grad Celsius und mehr. Im Jahr 2018 gab es in Andau im Seewinkel 127 solcher Tage. Der alte österreichische Rekord, gemessen in Leibniz im Jahr 2003, lag bei 120 Tagen. Das bedeutet, wir hatten 2018 eine ganze Woche Sommer mehr als im Hitzesommer vor 15 Jahren – und auch der war alles andere als normal. Ähnliches ließe sich an anderen Orten beobachten: Eisenstadt hat im langjährigen Durchschnitt 66 Sommertage, im Jahr 2018 waren es 110. Das ist nicht ein bisschen mehr, das ist gewaltig.

Extremwetter-Ereignisse nehmen zu

Die Klimaerwärmung hat im Burgenland aber auch andere Folgen und Auswirkungen auf das Wetter. So nehmen Extremwetter-Ereignisse zu. Das ist einfach zu verstehen. Eine heißere Atmosphäre bedeutet auch mehr Energie und diese Energie entlädt sich, wenn sie einen bestimmten Schwellwert erreicht hat – manchmal in Form von kräftigen Stürmen, manchmal durch starke Gewitter mit Hagel.

Eine, gerade für die Region rund um den Neusiedler See, schwerwiegende Folge des Klimawandels ist die Veränderung unserer Strömungsmuster durch die Erwärmung. Diese Erwärmung findet nämlich nicht gleichmäßig auf der gesamten Erde statt. Die Nordhalbkugel erwärmt sich derzeit stärker als die südliche. Das liegt vor allem daran, dass es auf der Südhalbkugel mehr Meeresflächen gibt und sich Wasser langsamer erwärmt als Landflächen, das Wasser dämpft hier und verzögert dadurch die Erwärmung derzeit noch.

Auf der Nordhalbkugel erwärmen sich die Regionen rund um die Arktis deutlich schneller als in unseren Breiten. Dies führt dazu, dass sich der Temperaturgegensatz zwischen der Polregion und den südlicheren Teilen verringert. Dadurch kommt es zu Veränderungen in unseren Strömungsmustern, also der räumlichen und zeitlichen Verteilung unserer Wettersysteme wie etwa Hoch- und Tiefdruckgebiete sowie Warm- und Kaltfronten.

Konkret für Österreich und das Burgenland bedeutet das, dass Hitzewellen und Trockenphasen sich ausdehnen, langsamer wandern und so länger bei uns verweilen.

Regen fällt hingegen seltener und immer öfter in Form von kurzen, aber kräftigen Regenfällen, die der Boden dann kaum aufnehmen kann und die damit auch für die Landwirtschaft weniger gut sind.

Die beobachtbaren Folgen des Klimawandels in der Region Neusiedler See sind also steigende Temperaturen. Es wird wärmer, nicht nur im Sommer, und es gibt weniger Niederschlag. Besonders warm waren die Jahre 2015, 2018 und 2019 am Neusiedler See, die Temperatur lag hier um zwei Grad über dem langjährigen Durchschnitt von 1981 bis 2010. Nicht nur die wärmsten Jahre finden wir in den vergangenen Jahren, sondern auch sehr trockene. Hier brachten die Jahre 2015 und 2021 weniger als 545 Liter pro Quadratmeter, das bedeutet gut 100 Liter weniger pro Quadratmeter als üblich. Besonders trocken ist das Jahr 2019 in Erinnerung, damals lag das Niederschlagsdefizit bei 20 Prozent. Der Trend zur Trockenheit setzte sich 2022 in beispielsloser Art fort. Vor allem der fehlende Winterniederschlag führte im Sommer zu einem historischen Tiefststand, der seit Messbeginn des Wasserstandes im Neusiedler See im Jahre 1965 noch nie da gewesen war. Wird sich dieser Trend fortsetzen? Führt der Klimawandel dazu, dass der Neusiedler See austrocknet?

Die Wasserstände des Neusiedler Sees im im Vergleich von 1965, 2021, 2022. Die Daten aus dem Wasserportal zeigen für das Jahr 2022 einen Wasserstand von etwa 50 Zentimeter unter dem langjährigen Mittel. © Wasserportal Burgenland

Klimaszenarien – Wir haben es in der Hand

Bisher haben wir hier in die Vergangenheit geschaut, und diese lässt sich mit Daten und Fakten, mit Messungen und Beobachtungen klar und eindeutig darstellen. Übrigens viel besser, als es mit unseren Erinnerungen möglich wäre. Wenden wir nun aber den Blick in die Zukunft, so sind Aussagen über die weitere Entwicklung mit Unsicherheit behaftet. Das kennt man auch von Wetterprognosen. Trotz modernster Berechnungsmethoden, verbesserter technischer Möglichkeiten und wachsendem Wissen über die Physik der Atmosphäre stimmen Wettervorhersagen nicht immer zu hundert Prozent. Sehr ähnlich verhält es sich mit Aussagen über das Klima und dessen zukünftige Veränderungen. Beim Klima kommt noch ein entscheidender Faktor dazu. Die zukünftige Entwicklung von Klima und Wetter in unserer Region hängt davon ab, wie wir uns verhalten. Ändern wir nichts, beharren wir auf alten Gewohnheiten und tun weiter wie bisher (business as usual), dann werden sich unser Klima und Wetter weiterhin nachteilig verändern. Nur wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, Gegen- und Anpassungsmaßnahmen ergreifen und unsere Treibhausgas-Emissionen reduzieren, können wir die Erderwärmung bremsen und im besten Fall die Temperatur sogar wieder stabilisieren. Bei Aussagen über das Klima unserer Zukunft handelt es sich allerdings nicht um Prognosen, sondern um sogenannte Szenarien. Je nachdem wie wir handeln, wird das unterschiedliche Ergebnisse zeigen und uns eine andere Zukunft bringen.

Da wir in Österreich, aber auch weltweit, derzeit noch steigende CO2-Emissionen haben, also jedes Jahr mehr Treibhausgase ausstoßen als im Jahr zuvor, werden sich mögliche Effekte erst spät und verzögert einstellen.

Daraus wird klar, dass die Temperatur auch in Zukunft ansteigen wird. Es wird noch wärmer werden. Im Burgenland wird die Temperatur sowohl im Winter als auch im Sommer etwa gleich stark weiter zunehmen. Bis zum Jahr 2050 werden die Unterschiede der jeweiligen Verhaltensweisen nicht sehr groß sein: Machen wir weiter wie bisher, steigt die Temperatur um weitere 1,5 Grad an. Selbst im Fall weiterer Klimaschutz-Maßnahmen und einer Reduktion von Treibhausgas-Emissionen wird es um 1,3 Grad wärmer werden.

Das bedeutet in beiden Fällen, dass wir im Jahr 2050 in Wien und Eisenstadt bereits ein Klima vorfinden wie heute in Skopje und dass es rund um den Neusiedler See Bedingungen gibt wie derzeit im nordmazedonischen Umland der Hauptstadt von Nordmazedonien. Die Klimazone würde also rund 1.000 Kilometer weit in den Norden wandern, was eine komplette Veränderung unserer Vegetation und Landwirtschaft bedeuten würde. Veränderungen, auf die wir derzeit noch überhaupt nicht vorbereitet sind.

Betrachten wir den Zeitraum von 2071 bis 2100, werden die Unterschiede beider Szenarien hingegen sehr deutlich. In diesem Zeitraum würde sich der Klimaschutz bereits auswirken und die Erwärmung bei etwa zwei Grad begrenzt werden. Ändern wir nichts, würde der Temperaturanstieg deutlich stärker ausfallen und rund vier Grad, also doppelt so viel, betragen. Dabei würde die Temperatur im Winter etwas deutlicher ansteigen als im Sommer.

Die Klimazone würde bis 2050 also rund 1.000 Kilometer weit in den Norden wandern, was eine komplette Veränderung unserer Vegetation und Landwirtschaft bedeuten würde.  Veränderungen, auf die wir derzeit noch überhaupt nicht vorbereitet sind.

Ein ebenso interessantes wie wohl auch überraschendes Bild zeigt die Betrachtung der Entwicklung des Niederschlages im Burgenland. Die Klimamodelle zeigen sowohl für die nähere Zukunft bis 2050, aber auch für die fernere Zukunft bis 2100 eine Zunahme der Niederschlagsmengen.

Allerdings ist es aufgrund der größeren zeitlichen und geografischen Schwankungen bei Niederschlag schwieriger, Vorhersagen zu treffen, als dies bei der Entwicklung der Temperatur der Fall ist. Die Ergebnisse sind also mit einer größeren Unsicherheit behaftet.

Um Wochen früher als sonst fallen die Salzlacken trocken.
Hier die Zicklacke im Nationalpark-Teilgebiet Illmitz-Hölle
im Mai 2021.
Trockene Lackenbecken schon im Frühjahr. Um Wochen früher als sonst fallen die Salzlacken trocken. Hier die Zicklacke im Nationalpark-Teilgebiet Illmitz-Hölle im Mai 2021. © Archiv Nationalpark Wegleitner

Die Klimamodelle rechnen jedenfalls mit einer Steigerung der Niederschlagsmengen zwischen sechs und sieben Prozent bis zum Jahr 2050 und mit einer Steigerung von gut zehn Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts. Die Signale für mehr Niederschlag sind dabei im Winter ausgeprägter als im Sommer. Für den Wasserhaushalt des Neusieder Sees ist gerade der Winterniederschlag entscheidend, denn im Sommer verdunstet immer mehr Wasser, als durch Regen wieder in den See zurückkommt.

Die Rechenmodelle und Klimaszenarien geben uns also einen leicht optimistischen Ausblick, dass der Niederschlag beim Neusiedler See und in der Region in Zukunft mehr wird. Diese Zukunft liegt allerdings in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts und ist mit großen Unsicherheiten verbunden.

Die Frage, die zu stellen bleibt, ist: Was machen wir bis dahin?

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Über Marcus Wadsak

Geboren 1970 in Wien, lebt am Neusiedler See. Studium der Meteorologie an der Universität Wien, seit 2012 Leiter der ORF-Wetterredaktion. 2021 „Journalist des Jahres“ in der Kategorie Wissenschaft, Gründungsmitglied von Climate without Borders und European Climate Pact Ambassadors. Autor von Büchern zu den Themen Wetter und Klimawandel.

MEHR ZU DIESEM THEMA

Diesen und weitere Beiträge namhafter Experten finden Sie in der Publikation „Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise – Herausforderungen. Perspektiven. Lösungen.“

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