Eine Zeitreise durch die Landschaftsgeschichte

Die Grenzlage des Neusiedler Sees ist eine vielfältige, vom römischen Limes bis zum Eisernen Vorhang prägte sie die Geschichte dieser Region. Weniger bekannt ist die geologische Grenze, an der infolge tektonischer Prozesse auch das Seebecken entstand.

Geschichte der Seelandschaft


Die Grenzlage des Neusiedler Sees ist eine vielfältige, vom römischen Limes bis zum Eisernen Vorhang prägte sie die Geschichte dieser Region. Weniger bekannt ist die geologische Grenze, an der infolge tektonischer Prozesse auch das Seebecken entstand.

Wo liegt der Neusiedler See?


Am Übergang von den Alpen in die Tiefebene ändert sich nicht nur der Landschaftscharakter: Das Klima wird kontinental, die Vegetationsperiode lang, Tiere und Pflanzen aus allen Himmelsrichtungen treffen hier aufeinander. Über den Gesteinen der Ostalpen finden sich mächtige Sedimente, unter dem See bis zu 600 m, weiter östlich bis zu 8.000 m stark. Wie die verbliebenen 40 Salzlacken liegt auch der Neusiedler See in abflusslosen Vertiefungen. Sein Alter wird mit etwa 12.300 Jahren angenommen.

Wer schrieb hier Kulturlandschaftsgeschichte?


Spuren des Menschen am Neusiedler See gibt es seit der Mittelsteinzeit. Mit dem Sesshaftwerden fanden erste Übernutzungen wie Kahlschlag oder Überweidung statt. Die Schwankungen zwischen Kaltzeiten und Austrocknungsphasen können auch aufgrund von Bodenprofilen und Siedlungsresten im Seebecken nachgewiesen werden. In der Spätbronzezeit ermöglichte ein niedriger Wasserstand die Besiedlung tiefer gelegener Flächen. Dieses Klimaoptimum bestätigen Funde in Verbindung mit Weinkulturen. Einfluss auf das Landschaftsbild hatte auch die Eisenzeit mit ihrem großen Bedarf an Brennholz.

In die Zeit der Gründung der römischen Provinz Pannonia fällt die erste Nennung des Neusiedler Sees als „lacus Peiso“ (Plinius, 77 n. Chr.). Diesem Klimaoptimum wird eine Intensivierung des Siedlungsbaus und der Landwirtschaft zugeordnet – und die Entwicklung zur Kulturlandschaft: Getreide wurde angebaut, Hanf, Flachs, Obst und Gemüse. Zu den Funden aus dieser Zeit zählt die älteste Weinpresse Österreichs. Ein hochrangiges Wegenetz mit Militär- und Poststationen verband die Städte miteinander, See und Sümpfe mussten dabei umgangen werden. Am Ende des römischen Reiches trat eine Klimaverschlechterung ein, die Hochwassergefahr stieg. Viele Siedlungen wurden verlassen, es entstanden wieder natürliche Landschaften. Im 7. und 8. Jahrhundert prägten die Awaren den Landstrich.

Hungersnöte trotz Dreifelderwirtschaft?


Siedler aus dem bayrisch-fränkischen Raum brachten nach dem Auslöschen der awarischen Kultur durch Kaiser Karl die Dreifelderwirtschaft ins Land, von der anderen Seite stieg der militärische Druck der magyarischen Stämme. Im 11. Jahrhundert fielen die Durchschnittstemperaturen, gefolgt vom Klimaoptimum des Mittelalters. Rodungen setzten wieder ein, der Ackerbau gewann mehr und mehr Flächen. Zwischen Rabnitz und Raab entstand ab dem 11. Jahrhundert ein Entwässerungssystem mit Kanälen, um die landwirtschaftliche Nutzung auszuweiten.

Nicht nur die Pest (1348), auch ein Klimapessimum mit Überschwemmungen führte zum Zusammenbruch der großflächigen Landwirtschaft. Missernten und Hungersnöte wurden durch extreme Klimaschwankungen ausgelöst oder verstärkt, zahlreiche Siedlungen aufgegeben oder bei Grenzkämpfen zerstört. Der Wald holte sich Acker- und Weideflächen zurück. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts dürfte der See einen hohen Wasserstand aufgewiesen haben. Die für die osmanischen Truppen bei der Belagerung Wiens 1529 fatale Kälte- und Regenphase traf auch den Weinbau. Die Jahrzehnte ab 1570 zählen bis heute zu den kältesten. Gleichzeitig sank der Wasserspiegel des Sees, am Westufer ist eine Verschilfung dokumentiert, die Fischerei erlitt starke Einbussen.

Nach dem Fall von Raab (1594) kam die Kulturlandschaft nicht nur durch die Türken unter Druck: Die meisten verödeten Dörfer waren schon zuvor aus wirtschaftlichen Gründen wüst gefallen. Ab dem 17. Jahrhundert häuften sich die Wasserstandsschwankungen, bis hin zu einem Höchststand 1786 und einem Tiefstand von 1811 – 1813 mit darauf folgendem raschen Anstieg.

„Wasserlandschaft“ zwischen Neusiedler See, Waasen und Raab mit Überschwemmungsgebieten, um 1830
Ausschnitt aus: „Die ständig oder periodisch unter Wasser ­stehenden Gebiete des Karpatenbeckens vor Beginn der Hochwasserschutz- und Entwässerungsarbeiten.“
Magyar Kir. Földművelésügyi Minisztérium, 1938; Quelle: Archiv des MBFSZ, Budapest.

Landschaftseindruck oder Momentaufnahme?


Der Blick auf den Neusiedler See hat sich oftmals geändert. Die Verschilfung, hohe Wasserstände, Austrocknungsphasen, das Wachsen der Weingärten, erste Strandbäder, die Stilisierung zum Urlaubsparadies, der Eiserne Vorhang, die Wertschätzung als Welterbe und die Gründung des Nationalparks, all das hat die Wahrnehmung – und damit die Entwicklung – beeinflusst. Der Klimawandel mit seinen Folgen für das Feuchtgebiet lässt jetzt neue Forderungen aufkommen, bis hin zu einer Wasserzuleitung, um das Freizeitrevier sichern zu können.

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