Verantwortung übernehmen

Interview

Die Bemühungen um den Erhalt des Neusiedler Sees laufen. Gibt es auch eine Strategie für den Fall, dass der See trockenfällt?


Doskozil: Der See darf keinesfalls trockenfallen. Er ist als Lebensraum eminent wichtig und stellt für die Bevölkerung, für die Wirtschaft und den Tourismus die wichtigste Lebensgrundlage in der Region dar. Die Taskforce Neusiedler See – Seewinkel arbeitet bereits intensiv an technischen Lösungen. Neben dem Dialog mit Ungarn prüfen wir auch weitere Varianten: In Nickelsdorf soll die bisher größte Anlage für die Produktion von Grünem Wasserstoff entstehen. Erhoben wird, ob wir parallel zur nötigen Transportleitung nach Schwechat auch eine Donau-Zufuhr zum See verwirklichen können. Außerdem denken wir ein gemeinsames Vorhaben mit der Slowakei an. Ein Mix dieser Maßnahmen wäre ebenfalls denkbar, um das beste Ergebnis zu erzielen.

Was würde ein – vorübergehendes – Verschwinden des Sees für das Unternehmen Esterhazy bedeuten?


Ottrubay: Das hätte für die Natur, für alle Menschen in der Großregion und für sehr viele Unternehmen verheerende Folgen. Man weiß aus dem 19. Jahrhundert, dass nach Austrocknung des Sees starke Staubwinde entstanden sind, die zu Lungenkrankheiten geführt haben. Die Lebensqualität wäre massiv geschädigt, das gilt für die hier lebenden Menschen wie auch für zehntausende Wochenend- und Feriengäste. Dazu kommen die Auswirkungen auf die Biodiversität und das Artenspektrum und anderes mehr. Als bedeutender Player im Bereich Wohnen, Freizeit und Events ist Esterhazy natürlich mehrfach betroffen. Deshalb spüren wir die große Verantwortung, gemeinsam mit den Betroffenen, den Behörden und der Politik schnell umsetzbare Lösungen zu entwickeln.

Die zentrale Frage angesichts sinkender Grundwasserspiegel ist: Welche Schritte sind nötig, um gegenzusteuern?


Doskozil: Langfristig bietet eine Wasserzufuhr sicherlich die beste und effizienteste Lösung für die Stabilisierung des Grundwasserspiegels und die Versorgungssicherheit der Region. Auf die Klimaveränderungen und die landwirtschaftliche Bewässerung haben wir bereits reagiert: Die Bescheid-Auflagen wurden angepasst, Beregnung ist nur in der Nacht und für gewisse Fruchtarten erlaubt. Darüber hinaus überprüfen Experten, ob die bewilligten Entnahmemengen heute noch vertretbar sind. Wichtig ist uns zudem der Schutz der Salzlacken, auch hier streben wir eine Lösung an.

Was bedeuten die knappen Grundwassermengen für die Landwirtschaft Ihrer Betriebe schon heute?


Ottrubay: Die Landwirtschaft am Ostufer des Sees, im Seewinkel, nutzt das Grundwasser für die Beregnung unterschiedlichster Kulturpflanzen. Auch unsere Betriebe tun das zum Teil. Es geht aber nicht um reine Ertragsmaximierung, sondern um die Absicherung des Überlebens der Kulturen in langen Phasen der Trockenheit. Damit wird nicht zuletzt auch die regionale Versorgungssicherheit erhalten. Zudem werden die Beregnungstechniken wassersparender, wir beobachten dabei aber auch die Auswirkung auf das Grundwasser.

Welche Rolle spielt Ungarn, welche Verantwortung sehen Sie hier?


Doskozil: Wir sind zwei Länder mit dem gemeinsamen Ziel, den Neusiedler See zu erhalten. Durch unsere bilateralen Gespräche haben wir die Pläne des Ausbaus des Moson-Donau-Bewässerungskanals von Jánossomorja bis zur österreichischen Staatsgrenze bereits vorangetrieben. Mit Ungarn haben wir schon in der Vergangenheit Projekte wie den grenzüberschreitenden Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel oder auch das UNESCO-Welterbe realisiert. Und ich bin mir sicher, dass wir auch im Bereich des Neusiedler Sees unserer ­Verantwortung gerecht werden.

Welche Ansätze verfolgen Sie für die biologische Landwirtschaft? Ist diese bei Trockenheit widerstandsfähiger als der konventionelle Anbau?


Ottrubay: Trockenheit bedeutet immer auch Einbußen bei den Ertragsmengen. Das gilt für die konventionelle wie für die biologische Anbauweise. Die biologischen Bestände sind jedoch meist widerstandsfähiger als die konventionellen. Dabei werden Pflanzen nicht ans Limit ihrer Leistungsfähigkeit geführt und ihre biologische Vielfalt stärkt die natürlichen Kräfte. Zusätzlich sind der biologische Anbau und die hohe Regionalität der Nahrungsmittel wichtige Qualitätsmerkmale für den Tourismus im ländlichen Raum.

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