Erster Test für gezieltes Brandmanagement

Gegen die dramatische Überalterung des Schilfbestandes am Neusiedler See könnten in Zukunft auch kontrollierte Feuer zum Einsatz kommen.

Am Samstag, dem 13. Jänner, fand in Jois eine erste Brandschutzübung der Freiwilligen Feuerwehr statt, die von Experten wissenschaftlich begleitet wurde. Ziel war es, kontrolliertes Abbrennen von Schilf als Maßnahme gegen die voranschreitende Degradierung des Schilfgürtels zu testen. Eine genaue Analyse soll Erkenntnisse darüber bringen, ob solche Einsätze in Zukunft flankierend als Pflegemaßnahme für das Schutzgebiet geeignet sind. Kontrollierte Feuer sind ein Weg, um die voranschreitende Degradation des Schilfgürtels zu stoppen.

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Aufgrund feuchter, kalter Bedingungen kam es nur zu kleinen Feuerherden in Jois. Wird das für eine wissenschaftliche Auswertung reichen?

Beim Einsatz in Jois, an dem 300 Feuerwehrleute beteiligt waren, war geplant, Schilf auf einer Fläche von 200 Hektar abzubrennen. Die Verhältnisse erwiesen sich dafür aber als nicht ideal. Aufgrund der Feuchtigkeit und des vereisten Bodens konnten nach ersten Schätzungen lediglich 20 bis 25 Hektar Schilf in Brand gesetzt werden. Ob das für die wissenschaftliche Analyse reicht, sollte rasch geklärt werden. Denn der Knackpunkt ist, ob Altschilfzonen als zusätzliche Maßnahme zur Verjüngung des Schilfs auch durch Brandmanagement beseitigt werden können. Zu evaluieren ist, wieviel und welche Schadstoffe dabei emittiert werden. Aufgrund des strengen Luftreinhaltegesetzes bräuchte es in Zukunft eine gesetzliche Ausnahmeregelung. Bei einer Pressekonferenz in Jois hatte Umweltministerin Leonore Gewessler kontrollierte Feuer für das Schutzgebiet explizit als „ultima ratio“ bezeichnet.

Brandmanagement ist nicht unsere bevorzugte Methode, sondern kommt nur in Betracht, wenn alles andere nicht funktioniert.

Umweltministerin Leonore Gewessler

Allerdings betonte Gewessler auch die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf das Ökosystem des Neusiedler Sees. Zu viele trockene Sommer und milde Winter, die durch fehlende Frosttage den Schilfschnitt einschränken, hinterließen auch in diesem Schutzgebiet ihre Spuren. Insofern gäbe es Handlungsbedarf.

Aufgrund dieser klimatischen Entwicklungen sieht man, dass wir eine Lösung brauchen, um das Naturjuwel Neusiedler See auch für zukünftige Generationen zu erhalten.

Umweltministerin Leonore Gewessler

Es bedürfe also einer Abwägung zwischen den negativen Effekten solcher Brände auf die Luftqualität, auf das Klima und die Ökologie sowie den positiven Effekten für den Vogelschutz und für die Erhaltungsziele des Natura 2000-Gebietes. Genauere Aufschlüsse soll der kontrollierte Brandeinsatz in Jois bringen, wie auch Landesrat Heinrich Dorner und Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf betonen. Eisenkopf verwies auf Studien von WWF und Birdlife, in denen sich auch die Experten aus dem Naturschutzbereich für den gezielten Einsatz von Feuer aussprechen.

Ein Mosaik an unterschiedlich alten Schilfbeständen ist wichtig für dieses Schutzgebiet, für die Vögel und Amphibien. Wir wissen aus Studien: Je älter das Schilf ist, umso weniger wird es als Lebensraum genutzt.

LH-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf
Brandmanagement wird als „ultima ratio“ zur Erneuerung des Schilfgürtels getestet. © by Gunnar Landsgesell

Laut Studien sind mittlerweile 50 Prozent des Schilfgürtels zusammengebrochen. Rund die Hälfte der Schilfbestände am Neusiedler See sind mehr als 20 Jahre alt und damit derart degradiert, dass sie selbst für Vögel, die auf Altschilf spezialisiert sind, nicht mehr als Brutplatz geeignet sind. Versuche mit umgebauten Schilferntemaschinen brachten in der Vergangenheit nicht die erwünschten Effekte. Mittlerweile gibt es nur mehr eine Handvoll Schilfschneide-Betriebe, die in den Wintermonaten unterwegs sind. Neben dem Klimawandel haben also auch die ungünstigeren Bedingungen der Schilfernte zur Degradierung des Schilfbestandes beigetragen.

Der Einsatz kontrollierter Feuer findet in Kooperation mit der Universität Wien, der BOKU, der TU Wien, dem Umweltbundesamt und Geosphere Austria statt. Die Biologische Station koordiniert das Projekt. Deren Leiter, Thomas Zechmeister, weist darauf hin, dass Knickschilf eine relativ große Biomasse produziert, die sich über den Boden legt. Dadurch werde eine natürliche Verjüngung des Schilfs verhindert, die es aber braucht, um ein Mosaik an unterschiedlichen Schilfaltersstufen zu erhalten, die für das Schutzgebiet als intakter Lebensraum notwendig sind. Auch wenn sich das Eis im Schilfgürtel als nicht ideal für die Brandschutzübung erwies, hat es bei Brandmanagement zumindest eine schützende Funktion für das Leben im und am Boden.

Im März 2023 ist eine große Schilffläche bei Breitenbrunn abgebrannt
Schilfbrand am 2. März 2023 zwischen Winden und Breitenbrunn. Immer wieder kommt es u.a. aufgrund des überalteten Schilfbestandes zu Bränden. © by Freiwillige Feuerwehr Trausdorf

Ziel der Brandübung ist laut Gewessler grundsätzlich, die Bedingungen „exakt zu monitoren“, um im Verbund mit den wissenschaftlichen Einrichtungen Fakten für eine Bewertung für weitere Schritte zu erhalten. Sie verweist darauf, dass saubere Luft ein hohes Gut sei, mit dem sorgsam umgegangen werden müsse. Ob die Erkenntnisse aus der kleinen in Brand gesetzten Fläche reichen, um über eine künftige Ordnungsermächtigung für weitere kontrollierte Feuer zu entscheiden, bleibt abzuwarten. Definitiv ausgenommen ist laut Gewessler jedoch das Nationalparkgebiet mit seiner Kernzone. Hier werde es auch in Zukunft keinen Einsatz von Brandmanagement geben.

2 Kommentare

  1. Unbedarfte Frage, aber warum ist altes oder älteres Schilf als Lebensraum weniger attraktiv? Welche natürlichen Vorgänge ersetzt das Abbrennen, dass sich so ein massiver Eingriff in einem Nationalpark rechtfertigen lässt?

    • Der Schilfgürtel des Sees ist anders als oft wahrgenommen, keine einheitliche Fläche, sondern besteht aus offenen Wasserflächen und unterschiedlichen Altersbeständen von Schilf. Ein Mosaik mit verschiedenen Kleinstlebensräumen ist die Voraussetzung für die Biodiversität dieses Teils des Schutzgebietes am Neusiedler See. Unter den Vögeln gibt es viele Spezialisten, die fast ausschließlich in Schilfbeständen vorkommen, etwa Schilf- und Drosselrohrsänger, Rohrschwirl, Zwergdommel, Wasserrallen. Unter den Altschilf-Vogelarten gab es etwa mit dem Mariskensänger und dem Kleinen Sumpfhuhn noch vor einigen Jahren die wahrscheinlich größten Brutpopulationen Europas. Durch die Degradierung großer Teile des Schilfgürtels sind diese Bestände eingebrochen. Auch deshalb ist es wichtig, wieder eine vitale Schilfstruktur rund um den See herzustellen. Mehr dazu im Buchbeitrag von Michael Dvorak und Erwin Nemeth (BirdLife Österreich): Vogelschutz im Schilfgürtel.

      Die Degradation des Schilfgürtels hat mehrere Gründe. Durch die Klimaerwärmung und das damit verbundene Ausbleiben einer winterlichen Eisschicht ist für Schilfschneider mit ihren schweren Geräten eine Ernte kaum noch möglich. Dadurch blieben Altschilfbestände zunehmend stehen und verhindern eine Verjüngung des Bestandes. Als letzte Maßnahme würde ein Abbrennen genau definierter Zonen als „ultima ratio“ ermöglichen, dass der Schilfgürtel als Lebensraum wieder nutzbar wird. Seit einer Novelle des Luftreinhaltegesetzes ist das allerdings nicht mehr gestattet. Das Klimaministerium prüft derzeit eine Ausnahmeregelung, um das Schutzgebiet mit seinem hohen ökologischen Wert zu erhalten.

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