Neusiedler See: Wohin mit 1.000.000 Kubikmeter Schlamm?

Bis Mitte April saugen zwei Spezialboote weiterhin Schlamm aus dem Neusiedler See. Der Fahrplan, eine Million Kubikmeter Schlamm in den nächsten zehn Jahren zu entfernen, ist klar. Was damit passieren soll, noch nicht so ganz.

55 Millionen Kubikmeter Schlamm: Diese gewaltige Menge lagert allein am Boden des offenen Seebeckens des Neusiedler Sees. Um sich das vorstellen zu können: Umgerechnet würde das bedeuten, dass der gesamte Bezirk Eisenstadt (453 Quadratkilometer) mit einer zwölf Zentimeter hohen Schlammschicht bedeckt wäre. Die Sedimente sind zweifellos ein integraler Teil des Ökosystems im einzigen Steppensee Mitteleuropas. In den Buchten und Marinas wird der Schlamm allerdings zum Problem. Deshalb gilt es, diese Schlammverfrachtungen regelmäßig abzusaugen, um den Betrieb in den Hafenbereichen aufrechtzuerhalten.

Verwertungskonzepte gefragt

Während die Saugboote noch bis April aktiv sind, und sich die Absetzbecken in den Gemeinden mit Weichschlamm füllen, stellt sich die Frage, wie mit diesen großen Mengen verfahren werden soll. Wie lange braucht es, bis sich das Wasser vom Schlamm in den Becken getrennt hat, um abtransportiert zu werden und Platz für neue Ladungen zu machen? Sind zwei Monate grundsätzlich ausreichend? Bzw. welchen Anteil an Feuchtigkeit hat der Schlamm dann und für welchen Einsatz ist er dann geeignet? Der Salzburger Landschaftsökologe und Berater, Michael Machatschek sprach sich bei einem Erfahrungsaustausch im vergangenen Jahr dafür aus, für jedes Becken einen eigenen Managementplan zu entwickeln, um das Material für spätere Zwecke optimal vorzubereiten. Etwa für eine landwirtschaftliche Nutzung, wie das die Burgenländische Landwirtschaftskammer angeregt hatte. Mittlerweile wurde Schlamm bereits auf einigen Agrarflächen aufgetragen. Mehr dazu im kommenden Beitrag.

Aber, realistisch gesehen: Wieviel lässt sich tatsächlich auf Feldern und in Weingärten aufbringen? Immerhin braucht es dafür die Bereitschaft von Landwirten, für einen Ansatz, der eine Perspektive eröffnet, aber gerade erst erprobt wird. Auch sollten die Flächen möglichst seenahe sein, um die Distanz für die LKW-Frachten (und die damit verbundenen Kosten) gering zu halten. Gibt es für die kommenden Jahre überhaupt genügend Flächen für den Einsatz auf den Feldern? Zwar wird der Schlamm vor seiner weiteren Verwertung routinemäßig im Labor untersucht. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass in der Bio-Landwirtschaft strengere Richtwerte gelten, die einen möglichen Einsatz reduzieren. Offen bleibt, wieviel Prozent des Materials sich auf diese Weise verwerten lässt und was mit den restlichen Volumina passiert.

Welche Verwertungsmöglichkeiten wurden bislang geprüft?

Versuchs- und Pilotprojekte gab es in der Vergangenheit bereits einige. Mit anderen Materialien verbunden, etwa mit gehexeltem Stroh, wurden Verwertungsmöglichkeiten gesucht. Kann der Schlamm getrocknet und mit anderen Baumaterialien verbunden werden? Oder landet ein guter Teil des Schlamms auf Deponien? Einfach deshalb, weil die aktuellen – oder zukünftigen – Verwertungsmöglichkeiten mengenmäßig überschritten werden? Insofern wäre interessant zu wissen, ob mittlerweile neue Einsatzmöglichkeiten gefunden wurden.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Neubildungsrate des Schlamms. Seit dem Projekt REBEN (Reed Belt Neusiedler See / Fertö) weiß man, dass im freien Seebereich rund 55 Millionen Kubikmeter Schlamm lagern. Der Zuwachs an Sedimenten vollzieht sich rascher als früher angenommen. Experten sprechen davon, dass man mit den getroffenen Maßnahmen in erster Linie die Akkumulation von Schlamm verhindern könne. Das bedeutet, dass sich in absoluten Zahlen die Menge des Schlamms im Seebecken gar nicht reduzieren lasse, weil sich in der selben Zeit schon wieder neue Sedimente im gleichen Ausmaß bilden. Die anvisierte Menge von einer Million Kubikmeter Schlamm in den kommenden zehn Jahre würde damit das Schlammaufkommen im See effektiv nicht reduzieren, sondern lediglich verhindern, dass die Schlammmenge weiter steigt. Interessant wäre, ob es dazu genauere Daten gibt.

Nur die erste Strecke: Vom See in die Absetzbecken

Nach der Pilotphase im Jahr 2022 hat die Seemanagement GmbH im vergangenen Jahr jedenfalls mit dem Watermaster die Hafenbereiche u.a. in Donnerskirchen, Breitenbrunn, Oggau, Rust, Podersdorf und Illmitz geräumt. Mit den zwei großen Saugbooten, die der Seemanagement nun zur Verfügung stehen, wurden Kanäle ertüchtigt sowie Sedimente aus den Ein- und Ausfahrtsbereichen abgesaugt. Die Zielmarke von 100.000 Kubikmeter Weichschlamm jährlich zu entfernen, sei technisch kein Problem und werde erfüllt, sagt Erich Gebhardt, Geschäftsführer der Seemanagement GmbH. Positiv sei, dass das Zeitfenster nicht mehr im Februar endet, sondern bis April ausgedehnt wurde.

Um das Vorhaben nicht zur hoffnungslosen Sisyphosarbeit werden zu lassen, wären begleitende Maßnahmen erforderlich. Etwa, Strömungsanalysen, wie sie vor Jahren schon als Einzelinitiativen etwa für die Ruster Bucht in Auftrag gegeben wurden. Mit dem Bau künstlicher Barrieren an neuralgischen Punkten sollte verhindert werden, dass eben entferntes Material nicht innerhalb kürzester Zeit wieder neu aufgefüllt wird. Derartige Strömungsanalysen seien laut Gebhardt im Rahmen eines Interreg-Projekts für die Ruster Bucht im Laufen. Ziel sei, etwa kleine Buhnen zu errichten, um den Schlammnachschub zu verlangsamen. Die Maßnahmen müssen auch mit dem Naturschutz abgestimmt werden. Für die entfernten Schlammmengen werde außerdem ein neues Absetzbecken errichtet.

Denn mit dem Absaugen von Schlamm ist es nicht getan. Das relativ flüssige Gemisch wird über Rohrleitungen, die auch über einen Kilometer betragen können, in Absetzbecken gepumpt, die im Randbereich, im Schilfgürtel des Sees, liegen.

Dort sollten jene Kapazitäten vorhanden sein, um den Schlamm auch lagern zu können. Zuständig für diese Absetzbecken sind die Gemeinden. Einige der Becken sind wartungsbedürftig. In Breitenbrunn wurde die Kapazität behördlich auf 17.000 Kubikmeter (auf fast die Hälfte) beschränkt, so Gebhardt. Der Stand der Technik sei veraltet, eine Grundsanierung würde im heurigen Jahr stattfinden. Auch in Illmitz wäre das Becken längere Zeit nicht gepflegt worden und sei deshalb mit Schilf zugewachsen. In Hinkunft werde es die Seemanagement GmbH übernehmen, die Becken zu füllen und zu leeren.

Ein Kommentar

  1. Schlamm industriell entfeuchten mittels Schlamm pressen oder Vakuumbandfilter.
    Verbrennung prüfen, Abwärme als Fernwärme nutzen, Asche als Dünger.

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