Im Juli 2022 hatten sich Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Ungarns Außenminister Péter Szijjártó auf eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit geeinigt. Neben Themen der Infrastruktur, Energie und Umwelt ging es auch um eine Wasserzufuhr für den Neusiedler See. Vereinbart wurde, einen Kanal von der ungarischen Mosoni Duna bis zum Seewinkel zu bauen, um dort – zusätzlich zu den aktuell errichteten Drainage-Sperren – den angegriffenen Grundwasserkörper zu stärken. Ein Teil des Donauwassers aus Ungarn sollte schließlich auch dem See zugute kommen. Nach jüngsten Aussagen zu schließen dürfte das Projekt mit Ungarn aber auf absehbare Zeit kein Thema mehr sein. Stattdessen wird das Land eine Wasserzufuhr von der niederösterreichischen Donau prüfen. Eine Variante, die schon vor Jahren diskutiert wurde. Um Licht in die mittlerweile verwirrenden Pläne einer Wasserzuleitung zu bringen, sollen hier die diskutierten Projekte und die damit verbundenen Hürden skizziert werden.
Die Mosoni Duna – kein Thema mehr?
Die Pläne für eine Zuleitung von Wasser durch die Mosoni Duna gehen auf das Jahr 2018 zurück. Zwei Jahre später schien es konkret zu werden. Christian Sailer und Karl Maracek vom Referat Wasserwirtschaft schreiben in ihrem Beitrag „Wassermangel im Feuchtgebiet: Neue Strategien in der Wasserwirtschaft“ im Weissbuch „Das Ende des Neusiedler Sees?“:
Die ungarische Seite informierte uns, dass es bereits einen Ausleitungskanal mit einer Länge von rund neun Kilometern gibt, der um zwölf Kilometer bis zur österreich-ungarischen Staatsgrenze verlängert werden kann. Aus unserer Sicht bietet das eine große Chance, Wasser in die niederschlagsärmste Region Österreichs zu bekommen. Während Ungarn das Projekt weiter ausgearbeitet hat, haben wir mit Ungarn eine Machbarkeitsstudie für eine gemeinsame Wasserbewirtschaftung im Grenzraum Hanság, Heideboden und Seewinkel erarbeitet. Laut Zeitplan sollte 2022 mit dem Bau der Verlängerung des Ausleitungskanals begonnen werden, in Ungarn würden alle Genehmigungen vorliegen.
Seither verzögert sich das Projekt. Die Gründe sind offenbar vielfältig. 2021 konnten laut Ungarn die EU-Fördergelder nicht abgerufen werden, wodurch die nationale Finanzierung ins Stocken geriet. Für den Ausbau bis zur Grenze hatte Ungarn zehn Millionen Euro veranschlagt und Österreich eine Beteiligung von drei Millionen zugesagt. Heute wird nunmehr auch von Einsprüchen durch ungarische Naturschützer gegen das Projekt berichtet. Es gibt Befürchtungen, wonach die Moson-Donau aufgrund der Entnahme unterhalb der Wehranlage in Mosonmagyaróvár trockenfallen könnte und die restliche Wassermenge selbst für eine Fahrt mit dem Paddelboot nicht mehr ausreichen würde.
Die Kapazitäten des Wassertransfers hatte man eigentlich bereits ausverhandelt. Ungarn hatte eine Menge von 1,5 bis 3,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zugesagt, jeweils abhängig von der Jahreszeit. Diese Kapazität garantierte Ungarn auch für Trockenzeiten.
Die Taskforce Wasser ging für die geplante Dotation im Fall einer kontinuierlichen Zuleitung von einem Kubikmeter pro Sekunde aus. Das würde einer Jahresmenge von 30 Millionen Kubikmetern und einer Erhöhung des Wasserspiegels um zehn Zentimeter entsprechen.
Mit dieser Maßnahme sollten zumindest die Verdunstungsverluste durch die Klimaerwärmung ausgeglichen werden. Eine „Auffüllung“ des Sees gilt als unrealistisch, zudem wäre das auch in Hinblick auf die Salzkonzentration und den Chemismus des Sees problematisch, wie etwa der Hydrologe Georg Wolfram erklärt. Deklariertes Ziel des Dotationsprojekts mit Ungarn wäre somit der Erhalt des Sees als Landschaftselement und als Lebensraum gewesen.
Alternative: Aufstauung des Einser-Kanals
Schon seit einiger Zeit war von kritischen Stimmen in Ungarn berichtet worden, die den Verkauf von Wasser für eine Zuleitung in den Neusiedler See nicht goutieren. Möglicherweise soll in Ungarn auch erst geklärt werden, ob Wasser überhaupt ins Ausland verkauft werden darf. Auch Finanzierungsprobleme wurden ins Treffen geführt. Was den See betrifft, so hat dieser auf der ungarischen Seite nicht jene Bedeutung wie in Österreich. Eine Dotation der Region würde man hingegen wesentlich positiver sehen. Das entspricht einer gewissen Logik: Von einer größeren Grundwasserdotation des Seewinkels würden auch die Ungarn profitieren. Das Wasser sickert bekanntlich langsam Richtung Süden in den Hanság, womit ein Teil des Wassers auch zu einer Durchfeuchtung der Böden der Grenzregion beitragen würde. Während Ungarn sich schon länger in einer „Prüfungsphase“ befand, rückte ein möglicher Baubeginn in weite Ferne. Zu weit für die Absichtserklärungen der Landespolitik, die den Baubeginn bereits für Frühling 2022 angekündigt hatte.
Aufgrund des Stillstands des Mosoni Duna-Projekts wurde zwischenzeitlich eine weitere Variante ins Spiel gebracht. Die Aufstauung des Einser-Kanals über Zubringer wie die Ikva sowie diverser Drainagegräben, über die das Wasser in den Kanal einsickert. Vom aufgefüllten Einser-Kanal könnte das Wasser schließlich in den Neusiedler See rückgepumpt werden. Auch hier gibt es allerdings die Hypothek, dass diese Variante auf ungarischem Boden, noch dazu im Nationalparkgebiet realisiert werden müsste. Das brächte neue Unsicherheiten, zudem wäre man auch in diesem Fall ganz von ungarischen Entscheidungen abhängig.
Gespräche auf politischer Ebene über diese Variante haben im Juni bereits stattgefunden. Die Menge an Wasser, um die es hier geht, wäre theoretisch durchaus relevant. Das bestätigt der Gewässerökologe Georg Wolfram, auch wenn vieles im Unklaren ist..