Zu viel Hitze, zu wenig Wasser

Die Böden, das Mikroklima und der See als Feuchtigkeitsspender und Temperaturpuffer: Schon vor etwa 3.000 Jahren wurde hier Wein angebaut. Instabile Verhältnisse verursachte aber der stark schwankende Wasserstand mit nasskühlen oder zu trockenen Phasen.

Kann die Vielfalt der Rebsorten erhalten werden?

Traubenkernfunde bei Mönchhof und eine Weinpresse am Leithagebirge bei Winden belegen, dass schon lange vor den Römern am Neusiedler See die Weinrebe kultiviert wurde. Die Römer hatten zur Zeit der Gründung der Provinz Pannonien – um Christi Geburt – wenig Interesse, den Weinbau am Lacus Peiso zu fördern, im Gegenteil: Es herrschte ein Überangebot am Markt, Wein wurde aus dem Mutterland importiert. Der nach Völkerwanderung und Awarenkriegen darniederliegende Weinbau erholte sich erst allmählich mit dem Zuzug von Siedlern aus dem bayrisch-fränkischen Raum.

Es scheint also mit Blick auf historische Quellen nichts Neues zu sein, wenn nunmehr schon seit drei Jahrzehnten von hitze- und trockenheitsbedingten Einbußen im Weinbau die Rede ist. Genauer betrachtet offenbaren sich freilich viele Unterschiede zu früheren Klimaschwankungen: Von mehrwöchigen Hitzeperioden mit Temperaturen nah an 40° Celsius wurde nie zuvor berichtet, auch nicht von mehr als hundert Sommertagen mit mehr als 25° Celsius, von neuzeitlichen Begriffen wie Treibhauseffekt und Klimawandel nicht zu reden. Stress also für die Weinreben, Stress und großer Handlungsbedarf für die Weinbauern.

Geändert haben sich allerdings auch die Möglichkeiten des Gegensteuerns: Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse weiß man heute mehr denn je über die Bedürfnisse der Weinrebe, ob hinsichtlich des Mikroklimas – Sonnenstunden, Niederschlag, Feuchtigkeit, Wind, Lufttemperatur – , der Auswahl der passenden Unterlagsreben, der Bodenbearbeitung, des Erntezeitpunkts oder der Kellerarbeit. Mit diesen Stellschrauben sollte es gelingen, die Rahmenbedingungen für die Erhaltung der großen Sortenvielfalt (42 verschiedene Rebsorten!) auf ebenso vielfältigen Böden zwischen Leithagebirge und Hanság auf die extremen Wetterverhältnisse abzustimmen.

Durchschnittstemperatur der Vegetationsperiode

Luftmitteltemperatur in der Wachstumsphase
Die Temperaturentwicklung von 1971 bis 1999 und von 2000 bis 2012 im Rheingau, Burgund und Rhonetal.
Die Durchschnittstemperatur im Burgenland ist mit den Werten des Burgenlandes vergleichbar.

Wo liegen die Flaschenhälse?


Wenn sich in manchen Sommern hektarweise sonnenverbrannte Trauben an den Rebstöcken zeigen, klingt die Befürchtung verständlich, dass bestimmte Rebsorten die steigende Anzahl an Sonnenstunden und Hitzetagen am Neusiedler See nicht überleben werden. Die scheinbar todgeweihten Sorten können aber, wie die Erfahrung aus mehreren europäischen Anbaugebieten zeigt, zumindest überleben, wenngleich die Traubenreife langsamer abläuft. Deutlich mehr Einfluss auf das Wohlbefinden der Rebe hat das Wasser, ob in Form von Regen oder als Luftfeuchtigkeit. Ausbleibende Niederschläge und ungünstige jahreszeitliche Verteilung können, vor allem auf Böden mit geringer Wasserspeicherfähigkeit, das Ende für manche Weinbaurieden bedeuten.

Mit Tröpfchenbewässerung darauf zu reagieren, kann kurzfristig betrachtet eine Problemlösung darstellen, die Rebe aber sehr schnell vom Tiefwurzler zum Seichtwurzler „umerziehen“, sie also auch in normalen Niederschlagsjahren von der Wasserzufuhr abhängig machen. Die obersten Wurzeln in neu angelegten Weingärten abzuschneiden ist zwar arbeitsintensiv und damit teuer, kann aber auf den meisten Bodentypen als Problemlösung gelingen.

Die Hitzeresistenz der Rebpflanzen zu steigern ist ein weiterer Ansatz: Hier spielt die standortpassende Auswahl der Unterlagsreben eine große Rolle. Statt in Hitzeperioden die Photosynthese einzustellen, können sich auf entsprechende Unterlagsreben veredelte Pflanzen bei Sonneneinstrahlung weniger stark erwärmen. Eine weitere Option: Mit ausgewählten Blühmischungen die Rebzeilen zu begrünen. Das führt nicht wie oft befürchtet zu einem zusätzlichen Wasserbedarf oder gar zu einem negativen Einfluss auf die Weinqualität – weil die Blühpflanzen nur das Oberflächenwasser nutzen. Mehr Biodiversität führt zudem zu besseren Lebensbedingungen für Nützlinge.

Die ersten Schritte in der Anpassung des Weinbaus an ein herausforderndes klimatisches Umfeld werden also schon seit einigen Jahren gesetzt. Von den auf diesem Gebiet gewonnenen Erfahrungen wird mittelfristig der gesamte Sektor profitieren, wenngleich nicht alle Maßnahmen in allen Lagen umsetzbar sind. Die Kulturlandschaft des Neusiedler Sees mit ihren kleinen Parzellen wird sich also auch in den Weingartenrieden ändern, vielleicht noch stärker als sie dies seit Ende des 20. Jahrhunderts bereits getan hat.

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