Zuleitung aus Niederösterreich: Wie steht es um die Pläne?

Der nächste Sommer kommt bestimmt - und damit wohl auch die Diskussion über niedrige Wasserstände im Neusiedler See. Ist eine Dotation aus NÖ spruchreif? Und wie sieht es mit Alternativen aus?

Die Dürren der vergangenen Jahre ließen Hektik aufkommen. In der Öffentlichkeit lösten niedrige Wasserstände des Neusiedler Sees Besorgnis über dessen Zukunft aus. Nach den vergleichsweise ausgiebigen Winterniederschlägen ist die Diskussion über eine Zuleitung wieder abgeebbt. Mit der beginnenden Vegetationsperiode und Wärmephase – die Temperaturen lagen im Februar und März bislang deutlich über dem langjährigen Mittel – wird sich das bald wieder ändern.

Der Wasserstand im Neusiedler See hat sich – anders als 2023, als der Winter äußerst trocken verlief und erst spät im Frühling Niederschläge einsetzten – bislang gut entwickelt. Allerdings liegt der Wasserstand immer noch deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Mit den überdurchschnittlich warmen Temperaturen steigt auch die Verdunstung stärker an.

Woher soll das Wasser nun kommen?

Gespräche mit Ungarn über eine Wasserzuleitung in den Seewinkel und in den Neusiedler See aus der Mosoni Duna waren zwar weit gediehen, verliefen aber letztlich im Sand. (Einen Bericht dazu finden Sie hier.) Ob die Variante Mosoni Duna überhaupt noch eine Option ist, gilt als sehr unwahrscheinlich und liegt in der Entscheidung Ungarns.

Als Alternative wurde eine Zuleitung aus der niederösterreichischen Donau ins Spiel gebracht. Auch hier sind keine Details über den Stand der Gespräche bekannt. Diese innerösterreichische Variante hat man bereits vor etlichen Jahren diskutiert. Laut jüngsten Überlegungen könnte eine Ableitung in der Nähe von Hainburg an der Grenze zur Slowakei erfolgen. Wie konkret die Gespräche mit der niederösterreichischen Landesregierung tatsächlich sind, bleibt offen. Kolportiert wird, dass im März zum Thema Zuleitung mehr Informationen bekannt gegeben werden sollen.

Über die Gespräche mit der niederösterreichischen Landesregierung sind keine Details bekannt. Wie konkret ist diese Variante?

Offen sind u.a. diese zentralen Fragen: Wie hoch ist die geplante abgeleitete Wassermenge aus der Donau? Welche Streckenführungen wird – auch aus topographischer Sicht – in Betracht gezogen? Soll die Zuleitung über Kanäle (vielleicht unter Berücksichtigung bestehender Gewässer) oder durch Rohrleitungen erfolgen? Wo wäre der optimale Ort, um das Wasser in den Neusiedler See einzuleiten? Laut Experten wäre es auch denkbar, das Wasser nicht direkt in den See einzuleiten, sondern in Seenähe versickern zu lassen, um eine Reinigung des Fremdwassers durch das Erdreich zu bewirken. Vor allem aber müsste aufgrund internationaler wasserrechtlicher Regelwerke auch eine Einbindung der Slowakei in das Projekt erfolgen.

Fest steht, dass seit der Unterzeichnung der Absichtserklärung über eine Zuleitung aus Ungarn zwei Jahre vergangen sind.

Sollte eine Lösung mit Niederösterreich spruchreif werden, dürfte sich diese Variante laut Einschätzung kaum unter fünf bis sieben Jahren realisieren lassen. Bereits die Dauer der Verhandlungen mit den Eigentümern betroffener Grundstücke sind zeitlich schwer einschätzbar.

Informationsbedarf besteht auch hinsichtlich einer immer wieder diskutierten Aufstauung des Einser-Kanals, der im Süden des Neusiedler Sees auf der ungarischen Seite der Grenze zu Österreich verläuft.

Über den Einser-Kanal wird der Neusiedler See bei Hochwasser entwässert. Das letzte Mal, dass die Schleuse geöffnet wurde, ist allerdings bereits acht Jahre her. Der Einser-Kanal wird von einem System an Entwässerungskanälen und Bächen wie die Ikva im Hansag gespeist, sowie über einsickerndes Grundwasser. Dieses Wassersystem reicht bis zur Raab und Rabnitz. Im vergangenen Jahr gab es den Auftrag, die Wasserqualität einiger dieser Gewässer zu prüfen. Die Idee ist, den Einser-Kanal über eine oder mehrere Staustufen aufzustauen und in den Neusiedler See zu pumpen. Aufgrund der massiven Eingriffe in ein wasser- und naturschutzrechtlich geschütztes Gebiet und der geringen Volumina wird dieses Projekt vielfach kritisch gesehen.

Überschwemmungsflächen schaffen

Konkrete Ergebnisse brachte bislang keines dieser Vorhaben. Dabei sind Projekte wie diese fast schon seit Jahrzehnten im Gespräch. Aus Sicht vieler Beobachter setzt die Politik vor allem auf Zeit, realisierbare Lösungen sind bis heute nicht auf dem Tisch. Anbetracht dessen, aber auch aufgrund der möglichen Auswirkungen auf das sensible Ökosystem des Neusiedler Sees sollte sich die Diskussion aber nicht darin erschöpfen, möglichst rasch eine See-Zuleitung zu finden. Der Ökologe Bernhard Kohler vom WWF plädiert schon länger dafür, dem See zumindest einen Teil der ursprünglichen Ressourcen zurückzugeben und Überschwemmungsflächen zuzulassen. Kohler:

Durch eine Wiederanbindung ausgedehnter, in der Vergangenheit vom See abgetrennter Überschwemmungsräume auf ungarischer Seite könnten möglicherweise doch noch größere Wassermengen im Gebiet zurückgehalten werden, anstatt sie im Hochwasserfall ableiten zu müssen. 

Bernhard Kohler, Zitat aus „Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise“

Kohler sieht in diesem Schritt eine „echte Renaturierung“, weil damit zumindest teilweise die Hochwasserspitzen ermöglicht würden, die für den See charakteristisch sind. Zudem würden diese Überschwemmungsflächen eine Vorratsbildung für Trockenzeiten erlauben. Ob Gespräche mit Ungarn über derartige Maßnahmen überhaupt erfolgreich sein können, wurde bislang nicht getestet. Warum eigentlich nicht? Immerhin könnte – anders als bei einer Ableitung von Wasser – auch Ungarn von solchen Renaturierungsmaßnahmen profitieren. Auf österreichischer Seite würden sie jedenfalls zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen bei gefährdeter Infrastruktur nach sich ziehen. Etwa im Fall der Seebäder. Die Kosten beliefen sich laut Kohler auf eine Höhe von 60 bis 90 Millionen Euro, die auch für eine Donauwasserzuleitung aufzuwenden wäre. Es wäre Zeit, alle Möglichkeiten zu prüfen und in konkrete Gespräche einzutreten.

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